Bundesregierung: Kein Notfallpen für Naloxon Nadine Tröbitscher, 06.02.2017 10:57 Uhr
Fentanyl-Epidemie: In den USA und Kanada hat der Missbrauch von starken Schmerzmitteln bedrohliche Ausmaße angenommen. Doch auch hierzulande werden die Wirkstoffe in der Drogenszene eingesetzt. Laut „Bundeslagebericht Rauschgift“ waren 2015 etwa 800 Todesfälle auf Vergiftungen mit Opioiden zurückzuführen – bei insgesamt etwa 1200 Rauschgifttoten. Naloxon gilt als Notfallmedikament bei einer Opioid-Überdosierung und ist beispielsweise in einigen USA-Staaten ohne Rezept erhältlich. Doch die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab, das Antidot freizugeben.
Naloxon wirkt als kompetetiver Antagonist am Opioid-Rezeptor und kann daher bei einer akuten Opioidvergiftung eingesetzt werden. Rechtzeitig angewendet, können Folgeschäden und Todesfälle durch einen Atemstillstand verhindert werden. In Deutschland ist der Wirkstoff für den Notfall als Injektionslösung auf dem Markt und hat folgende Indikation: „Vollständige oder teilweise Aufhebung von Atemdepression und zentralnervösen Dämpfungszuständen verursacht durch natürliche und synthetische Opioide.” Bevorzugt wird eine intravenöse Gabe.
Mit Verweis auf die Verordnungsfähigkeit von Adrenalin für Allergiepatienten, fragte die Linke im Bundestag bei der Bundesregierung nach, ob die Situation bei Naloxon vergleichbar sei. Im Notfall könnten die Betroffenen das Notfallmedikament dabei haben und es selbst applizieren oder durch Dritte applizieren lassen.
Für die Bundesregierung ist Naloxon aber nicht mit Adrenalin vergleichbar. Autoinjektoren würden bei Allergikern eine sichere und einfache Anwendung im allergologischen Notfall sicherstellen. Für Naloxon bestehe diese Applikationsmöglichkeit nicht.
Die Bundesregierung gibt an, dass der Einsatz von Naloxon auch bereits auf internationaler Ebene diskutiert werde. Eine Anwendung auf nationaler Ebene sei aktuell grundsätzlich möglich und unterliege der ärztlichen Verantwortung im Rahmen einer Notfallrettung. Für das Suchthilfesystem hätten Ärzte ebenso die Verantwortung über die Gabe in Drogenkonsumräumen. Eine Anwendung durch Laien setze besondere Anforderungen voraus; ohnehin müsse die Gabe ärztlich überwacht werden und bedürfe einer sorgfältigen Indikationsstellung. Überlebenshilfe allein reiche nicht aus; im Anschluss an die Notfallbehandlung sei unverzüglich eine professionelle ärztliche Behandlung nötig.
Fraglich sei schon, ob ein Laie die Überdosierung erkenne. Wird Naloxon appliziert, können aufgrund des schnellen Wirkeintritts Entzugssymptome auftreten. Ebenso könne eine erneute Atemdepression auftreten, da die Opioide eine längere Wirkdauer aufweisen als das Notfallmedikament. Eine Take-Home-Verordnung sei aus medizinischer Sicht nur vertretbar, wenn Laien entsprechend geschult würden. Die Angebote könnten derzeit jedoch den Bedarf nicht decken und nicht jeder, der ein Opioid injiziere, habe die Möglichkeit, an einem Schulungsprogramm teilzunehmen. Vor allem für den illegalen Opioid-Konsum gebe es keine Möglichkeit für die Verschreibung von Naloxon.
Naloxon kann auf Rezept verordnet werden, die Entscheidung liegt beim Arzt. Das Monopräparat wurde im Jahr 2015 etwa 3800-mal verordnet. Bis zum dritten Quartal 2016 waren es etwa 5800 Verordnungen zu Lasten der Krankenkassen. In den Jahren 1998 bis 2000 existierten Modellprojekte zur „Drogennot- und -todesfallprophylaxe einschließlich der Vergabe von Naloxon an Drogenabhängige“.