Brystol-Myers Squibb: Aus für Videx und Zerit Alexandra Negt, 05.11.2019 07:54 Uhr
Der amerikanische Pharmahersteller nimmt seine beiden HIV-Medikamente Videx (Didanosin) und Zerit (Stavudin) vom Markt und orientiert sich mit dieser Entscheidung an den aktuellen Therapieleitlinien.
Ab dem 1. November wird der Vertrieb von Videx Hartkapseln in allen Stärken eingestellt. Der Vertrieb der Videx 200 mg Hartkapseln wurde bereits zum 1. Januar eingestellt. Kommenden April wird das Pulver ebenfalls außer Vertrieb gehen. Das HIV-Medikament Zerit geht ab dem 01. November in allen Stärken und Applikationsformen außer Handel. Bereits seit Juli sind die hochdosierten Zerit 40 mg Hartkapseln nicht mehr verfügbar. Brystol-Myers Squibb betont, dass die Entscheidung nicht aufgrund von Qualitäts-, Sicherheits- oder Wirksamkeitsmängeln getroffen wurde, sondern sich an dem aktuellen Therapiestandard orientiert.
Die Anwendung von Stavudin war laut Unternehmen in den vergangenen Jahren stark rückläufig. Der Wirkstoff gehörte nicht mehr zur Erst- oder Zweitbehandlung der HIV-1-Therapie. Der Konzern verweist auf alternative Therapieoptionen, die in internationalen Leitlinien zur Behandlung von HIV-1-infizierten Patienten empfohlen werden. Aktuelle Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des US-amerikanischen Departments of Health and Human Services (DHHS) und der European AIDS Clinical Society (EACS) empfehlen, Stavudin nicht für die initiale Behandlung von HIV-1 einzusetzen.
Auch die Anwendung von Didanosin sank in den vergangenen Jahren deutlich. Auch dieser Wirkstoff wird nicht mehr als Erst- oder Zweitbehandlung für eine HIV-1-Therapie angesehen. Bereits im März 2014 hat die WHO empfohlen, Didanosin als Zweitlinien-Therapie auszuschließen und Patienten auf andere Therapieoptionen umzustellen. In der EU darf Videx nur angewendet werden, wenn andere antiretrovirale Arzneimittel nicht mehr angewendet werden können. Das Unternehmen verweist auf ausreichend viele alternative Therapieoptionen, die in internationalen Leitlinien zur Behandlung von HIV-1-infizierten Patienten empfohlen werden.
Zur Initialtherapie werden nach aktueller deutscher Leitlinie Nukleosid- und Nukleotidanaloga (NRTI bzw. NtRTI), nicht-nukleosidische Reverse- Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI), Ritonavir- oder Cobicistat geboosterte Proteaseinhibitoren und Integrase-inhibitoren (INI) verwendet. Alle Präparate sind in Kombination mit niedrig dosiertem (1-2 x 100 mg/d) Ritonavir oder Cobicistat stärker wirksam als ohne Booster und werden deshalb ausdrücklich in dieser Kombination empfohlen. Eine Kombination mit Nukleosidanaloga soll eine additive Wirkung ohne zusätzliche Toxizität aufweisen. Da Didanosin diese additive Toxizität besitzt, ist der Wirkstoff für eine Kombination ungeeignet. Das Risiko für periphere Neuropathien und Hyperlaktatämien steigt unter der Gabe des Wirkstoffes.
Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts lebten im Jahr 2017 rund 86.100 Menschen mit HIV oder AIDS in Deutschland. 450 HIV-infizierte Menschen starben im Jahr 2017. Es sind mehr Männer als Frauen infiziert: 69.100 Erkrankte sind männlich. 53.000 der infizierten Männer haben sexuellen Kontakt zu Männern. Zwei weitere häufige Infektionswege sind heterosexuelle Kontakte (11.000) und intravenöser Drogengebrauch (8100). Die Infektionszahlen innerhalb Deutschlands sind im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern niedrig.