Tumorerkrankungen

Brustkrebs im Frühstadium: Keine Chemo nötig

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Berlin -

Patientinnen, bei denen Brustkrebs im Frühstadium diagnostiziert wurde, benötigen möglicherweise keine Chemotherapie, sondern können stattdessen erfolgreich einzig mit einer endokrinen Therapie behandelt werden. Zu diesem Ergebnis kamen US-Wissenschaftler im Rahmen einer prospektiven, randomisierten Untersuchung. Die Ergebnisse sind im Fachjournal „The New England Journal of Medicine“ nachzulesen.

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) ist etwa jede achte Frau im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Hierzulande bildet das Mammakarzinom mit rund 31 Prozent den größten Anteil tumorbedingter Sterbefälle. Wenn sich bei der Diagnose des Brustkrebses der Primärtumor im Frühstadium befindet, ist eine Heilung noch möglich; im metastasierenden Stadium erfolgt die Therapie in der Regel palliativ. Bis zu 75 Prozent der Mammakarzinome gelten aufgrund nachgewiesener Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren als Hormonrezeptor-positiv (HR+). In 20 bis 25 Prozent der Fälle ist der Humane epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (HER2) beteiligt. In der Tailorx-Studie analysierten die Forscher um Dr. Joseph A. Sparano vom „Montefiore Medical Center“ in New York die Daten von 9719 Frauen mit HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs ohne Achsellymphknoten durch. Die Patientinnen waren zwischen 18 bis 75 Jahren alt.

69 Prozent von ihnen hatten einen mittleren Rezidiv-Score von 11 bis 25 beim genetischen Test, diese wurden randomisiert. Gruppe 1 bekam einer Chemo- und endokrine Therapie; Gruppe 2 erhielt eine endokrine Therapie (Tamoxifen als selektiver Estrogenrezeptormodulator, Aromatasehemmer). Das Tumorgewebe wurde mit dem Genexpressionstest „Oncotype DX” vom Hersteller Genomic Health analysiert. Dieser Test diente dazu, die Frauen zu identifizieren, die von einer Chemotherapie profitieren oder die von den Belastungen dieser Therapie verschont bleiben könnten.

Der Rezidiv-Score sagt einen Nutzen für die Chemotherapie voraus. Bei einem Score unter 10 wird keine Chemotherapie empfohlen, da ein geringes Rezidivrisiko besteht. Bei einem Wert ab 26 kommen sowohl Chemo- als auch endokrine Therapie zum Einsatz. Die US-Wissenschaftler zweifeln am Nutzen einer Chemotherapie bei Frauen, die einen mittleren Score haben. Deshalb untersuchten sie die Follow-up-Daten dieser Patientinnen, um die Nichtunterlegenheit der endokrinen Therapie allein für krankheitsfreies Überleben aufzuzeigen – das heißt ohne Rezidive, Krebs oder Tod.

Die Patientinnen bekamen nach Operationen und Bestrahlungen entweder nur eine Hormontherapie oder zusätzlich eine Chemotherapie – innerhalb von sieben Jahren. Die Gruppe mit zusätzlicher Chemotherapie hatte im Verlauf der Zeit keine Vorteile. Nach neun Jahren hatten die beiden Behandlungsgruppen ähnliche Raten des invasiven krankheitsfreien Überlebens (83,3 Prozent in der endokrinen Therapiegruppe; 84,3 Prozent in der Gruppe mit zusätzlich Chemotherapie). Die Raten für die Rezidivfreiheit an einem entfernten Ort waren fast gleich (94,5 Prozent und 95 Prozent). Das Gleiche galt für das Gesamtüberleben (93,9 Prozent und 93,8 Prozent). „Die endokrine Therapie war der chemo-endokrinen Therapie nicht unterlegen, was belegt, dass eine adjuvante Chemotherapie bei diesen Patienten nicht von Vorteil ist“, schreiben die Wissenschaftler.

Die Forscher fanden auch heraus, dass Frauen mit einem Score von 0 bis 10 sehr niedrige Rezidivraten (3 Prozent) mit Hormonbehandlung allein nach neun Jahren hatten. Dies bestätigt ähnliche Befunde aus früheren Studien. Darüber hinaus beobachteten sie, dass Patientinnen mit einem Score von 26 bis 100 eine Fernrezidivrate von 13 Prozent hatten, obwohl sie sowohl eine Chemotherapie als auch eine Hormontherapie erhielten. Die Wissenschaftler legen nahe, dass eine Chemotherapie bei etwa 70 Prozent der Frauen mit HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs ohne Achsellymphknotenbefall vermieden werden kann.

Es gibt eine Einschränkung: Als die Forscher Frauen unter 50 Jahren am oberen Ende des mittleren Risikobereichs (16 bis 25) getrennt analysierten, zeigten die Ergebnisse, dass sie von einer Chemotherapie Nutzen ziehen könnten – trotz negativem Gentest. Es sei jedoch unklar, ob dieser Nutzen auf die Wirkung der Chemotherapie oder auf die endokrine Suppression durch die durch die Chemotherapie induzierte Menopause zurückzuführen sei.

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