Brolucizumab: Konkurrenz für Eylea? Alexandra Negt, 02.11.2019 08:52 Uhr
Aktuell sind in Deutschland zwei Fertigarzneimittel zur Behandlung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) zugelassen, eines davon aus dem Hause Novartis. Mit einer möglichen Zulassung von Brolucizumab erweitert der Pharmakonzern sein Portfolio und könnte Bayer mit seinem Produkt Eylea Konkurrenz machen. In den USA ist der Wirkstoff unter dem Namen Beovu vor Kurzem zugelassen worden.
Novartis verzeichnet positive Ergebnisse zu Brolucizumab aus den beiden Zulassungsstudien Hawk und Harrier. Die Nicht-Unterlegenheit des Wirkstoffes gegenüber Aflibercept in Bezug auf den Anstieg der bestkorrigierten Sehschärfe nach 48 Wochen konnte in beiden Studien nachgewiesen werden. Die Visusgewinne konnten darüber hinaus bis zur 96. Woche aufrecht erhalten werden. Es wurde in beiden Studien eine statistische Signifikanz für Veränderungen hinsichtlich der zentralen Netzhautdicke und der intraretinalen sowie der subretinalen Flüssigkeit in Woche 96 erreicht. Ebenfalls statisch signifikant reduziert war die Flüssigkeit des retinalen Pigmentepithels innerhalb der Harrier Studie. In der Hawk-Studie wurde dieses zweitrangige Studienziel nicht erreicht.
An beiden randomisierten doppelblinden Phase-III-Studien nahmen 1817 Patienten mit nAMD teil. Untersucht wurde die Wirksamkeit von Brolucizumab in einem zwölfwöchigen Behandlungsintervall im Vergleich zu Aflibercept im achtwöchigen Behandlungsintervall. Initial wurden drei Injektionen im monatlichen Abstand gegeben. Beim Nachweis von Krankheitsaktivität unter Brolucizumab wurde das Behandlungsintervall auf zwei Monate verkürzt und so bis Studienende beibehalten. Behandelt wurden die Patienten mit 6 mg Brolucizumab oder 2 mg Aflibercept. In der Hawk-Studie gab es eine zusätzliche Behandlung mit einer Dosierung von 3 mg Brolucizumab. Die Verbesserung der morphologischen Parameter hielt bis zur 96 Woche an.
Bei dem monoklonalen Antikörper (MAK) handelt es sich um ein humanisiertes Einzelketten-Antikörperfragment (single-chain antibody fragment; scFv). Der Antikörper gehört zu den Vascular Endothelial Growth Factor Inhibitoren (VEGF-Inhibitoren). VEGF fasst Proteine verschiedener Gruppen zusammen, die als Signalmoleküle unterschiedliche Aufgaben in den vaskulären Geweben des Menschen erfüllen. VEGF-A ist wichtig für die Angiogenese (Bildung neuer Gefäße) im Auge. Brolucizumab bindet an alle Formen von VEGF-A und reduziert dadurch die Neubildung von Netzhautgefäßen und die Ausprägung von Retinaödemen. Der MAK besitzt ein geringes Molekulargewicht von 26 Kilodalton (kDa), wodurch die Gewebepenetration und die Clearance des Arzneistoffs verbessert wird.
Die altersbedingte Makuladegeneration ist eine degenerative Erkrankung des gelben Flecks der Netzhaut. Dieser Bereich im Zentrum der Retina besitzt die höchste Dichte an Fotorezeptoren, diese machen die Zelle lichtempfänglich. Bei Erkrankten kommt es zum Funktionsverlust dieser Sinneszellen, sodass es zu einem beidseitigen Sehverlust kommt. Die Visusverschlechterung tritt nach und nach auf. Bei der nAMD, der sogenannten feuchten AMD, kommt es aufgrund von Lücken innerhalb von Zellmembranen zu einer erhöhten Gefäßneubildung in der Netzhaut. Häufig treten Ödeme unter der Retina auf. Die Sehschärfe, die Kontrastwahrnehmung und das Farbensehen nehmen ab.
Die Erkrankung ist momentan nicht heilbar. Die intravitreale Injektion von MAK kann den degenerativen Verlauf verlangsamen. Zugelassen zur Behandlung der feuchten AMD sind Lucentis (Novartis) mit dem Wirkstoff Ranibizumab und Eylea (Bayer) mit dem Wirkstoff Aflibercept. Häufig verordnen Ophthalmologen den Wirkstoff Bevacizumab (Avastin, Roche), dieser weist eine vergleichbare therapeutische Wirksamkeit in internationalen Studien wie Lucentis auf. Bevacizumab ist nicht zur Behandlung am Auge zugelassen, es handelt sich um einen Off-Label-Use. Augenärzte empfehlen eine regelmäßige, engmaschige Kontrolle, sodass Injektionsintervalle gegebenenfalls verkürzt werden können. Ob eine Injektion indiziert ist, hängt von der Aktivität der Erkrankung ab, so kann eine Verabreichung alle vier bis zehn Wochen erforderlich sein.
Die nAMD gehört zur häufigsten Ursache des Sehverlustes im Alter. Novartis schätzt die Zahl der weltweit Erkrankten auf 20 Millionen. Brolucizumab zeigte in den Studien zwei Vorteile gegenüber Aflibercept: Der Wirkstoff hemmte stärker die Flüssigkeitsproduktion im Auge und es wurden weniger Injektionen benötigt. Den Zulassungsantrag für Brolucizumab in der EU hat Novartis bereits gestellt.