Metformin ist eines der wichtigsten Medikamente zur Behandlung des Typ-2-Diabetes und wirkt unter anderem über die Hemmung der Gluconeogenese. Schwedische Wissenschaftler konnten in einer aktuellen Studie mit übergewichtigen Typ-2-Diabetikern zeigen, dass ein Inhaltsstoff der Brokkoli-Sprossen den Blutzucker mit einem anderen Wirkmechanismus senkt und somit als Kombitherapie eingesetzt werden könnte. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.
Metformin gehört zu der Gruppe der Biguanide und wirkt wahrscheinlich über drei Wirkmechanismen. Zum einen senkt der Wirkstoff die Glucoseproduktion in der Leber durch Hemmung der Glyconeogenese und der Glykogenolyse. Zum anderen wird die Insulinempfindlichkeit in der Muskulatur erhöht und die periphere Glucoseaufnahme und -verwertung verbessert. Außerdem schreibt man der Substanz eine Verzögerung der intestinalen Glucoseresorption zu.
Aufgrund der renalen Elimination ist bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen eine regelmäßige Kontrolle notwendig, bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz ist das Antidiabetikum kontraindiziert. Etwa 15 Prozent der Patienten können das Mittel der Wahl deshalb nicht nehmen.
Sehr häufig können unter der Therapie gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Abdominalschmerzen auftreten. Nebenwirkungen führen wiederum dazu, dass die Compliance abnimmt. Diese Fakten haben das Forscherteam um Assistenzprofessor PhD Anders Rosengren von der Universität Göteborg dazu angeregt, gezielt nach weiteren Wirkstoffen zu suchen, die die Neubildung der Glucose hemmen.
Dazu wurden Mäuse untersucht, die an einem metabolischen Syndrom leiden. Der Typ-2-Diabetes ist auch beim Menschen charakterisiert durch die Kombination der Faktoren Hyperlipidämie, Hypertonie, Hyperglykämie und Adipositas. Analysiert wurde dabei insbesondere die Genexpression in der Leber. Die Wissenschaftler generierten eine genetische „Signatur“ für Typ-2-Diabetes, welche auf 50 Genen basierte. Danach wurde dieser „Fingerabdruck“ mit dem Einfluss von 3852 Substanzen auf die Expression derselben Gene verglichen, die potenziell als Arzneistoff in Frage kommen würden.
Große Ähnlichkeit besaß Sulforaphan, ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff mit Isothiocyanat-Struktur aus der Brokkoli. In der Natur kommt die Substanz als Glykosid vor und ist bei Vertretern der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae) zu finden. Dazu gehören beispielsweise Weißkohl, Blumenkohl und Rosenkohl. Sulforaphan entsteht aus der inaktiven Form Glucoraphanin, das mittels Kauen oder Darmbakterien seinen Zucker abspaltet und zur aktiven Form wird.
Um den Effekt des Sulforaphan auf den Blutzuckerspiegel zu untersuchen, wurden in einer randomisierten placebo-kontrollierten Studie 97 Patienten mit Typ-2-Diabetes herangezogen, die bis auf drei Personen alle bereits mit dem Metformin behandelt wurden. Dazu nahmen die Patienten 12 Wochen lang einen pulverisierten Brokkoli-Extrakt ein, der aus Sprossen gewonnen wurde und hohe Konzentrationen an Glucoraphanin enthielt.
Die Forscher haben herausgefunden, dass der Extrakt die Glucoseproduktion der hepatischen Zellen unterbindet: Patienten der Verumgruppe hatten am Ende einen HbA1c-Wert von 50 mmol/l, die der Placebo-Gruppe dagegen 57 mmol/l. Auch machte sich eine Verbesserung des Nüchternblutzuckers bemerkbar: Placebo führte zu 8,9 mmol/l, der Extrakt zu 8,2 mmol/l. Sulforaphan war am effektivsten bei adipösen Patienten, die trotz einer Therapie mit Metformin nicht eingestellt waren und einen erhöhten HbA1c-Wert aufwiesen. Zudem haben die Patienten das Verum sehr gut vertragen und zeigten keine Nebenwirkungen.
Laut der Studie hemmt die Substanz die Produktion von Enzymen, die für die Gluconeogenese gebraucht werden. Hauptsächlich spielt da die Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase 1 eine große Rolle, da sie Oxalacetat in Phosphoenolpyruvat überführt. Diese Umwandlung ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gluconeogenese.
Die Wissenschaftler konnten damit zeigen, dass Sulforaphan über einen anderen Wirkmechanismus verfügt. Denkbar sei der Einsatz als Kombinationstherapie durch Nutzung dieses synergistischen Effekts. Den Autoren zufolge kann eine Therapie mit dem Sprossenextrakt der Brokkoli derzeit noch nicht empfohlen werden, da weitere Daten notwendig sind.
APOTHEKE ADHOC Debatte