Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Professor Dr. Karl Broich, hat die zunehmenden
Lieferengpässe von Medikamenten als „völlig inakzeptabel“ kritisiert. In Einzelfällen müssten deshalb bestimmte Krebstherapien unterbrochen oder verschoben werden, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Die Engpässe seien im Moment vor allem ein Problem für Apotheker, die dann Zeit in die Suche von Ersatzmedikamenten investieren müssten. „Das gelingt ihnen aber fast immer.“ Broich: „Die Ausfälle nehmen zu, das ist ganz deutlich. Aber die Lieferengpässe wirken sich nur selten gravierend auf die Patienten aus.“
Dennoch sei das Problem keineswegs nur aufgebauscht: „Die Lieferschwierigkeiten sind ja da. Und sie führen in einzelnen
Fällen auch dazu, dass ein Versorgungsnotstand eintritt.“ Wenn es in der Lieferkette zu einem Problem komme, bestehe die Gefahr,
dass die Patienten das unmittelbar zu spüren bekämen. Der BfArM-Präsident verwies darauf, dass wichtige Therapien, etwa bei Krebspatienten, oder Operationen, beispielsweise wegen des Mangels an Narkosemitteln, verschoben werden müssten. „Das ist völlig inakzeptabel.“
Das BfArM sammelt die freiwilligen Meldungen über Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten. Nicht immer kämen die Unternehmen aber ihrer Selbstverpflichtung nach: „Manchmal erfahren wir erst aus der Presse oder aus Fachkreisen davon, dass ein Mittel nicht lieferbar ist.“ Broich begrüßt daher, dass die Hersteller nach dem Willen der Koalition in Berlin demnächst verpflichtet werden sollen, bevorstehende oder akute Engpässe zu melden.
Den geplanten Beirat, dessen Empfehlungen bindend für die Landesbehörden sind, findet der BfArM-Chef ebenfalls gut: „Diese Durchschlagskraft haben wir im Moment noch nicht. Meine Hoffnung ist, dass wir dann noch schneller und besser reagieren können als derzeit.“ Wie gut eine schnelle Abstimmung aller Beteiligten sei, habe man bei der Valsartan-Krise gesehen: Zufällig habe der Jour fixe am Tag des Bekanntwerdens getagt. „Da haben wir gesagt, hier geht jetzt keiner raus, bis wir eine abgestimmte Lösung haben. Und die hatten wir dann auch.“
Der Hauptgrund für Lieferengpässe besteht nach Ansicht Broichs im Preisdruck für bestimmte Medikamente. Dieser habe dazu geführt, dass sich zu viele Monopole und Oligopole herausgebildet hätten. Diesen müsse man entgegenwirken, wo immer sie bestehen – zum Beispiel über Anreizstrukturen. „Die billigsten Medikamente sind oft zu billig. Sie müssten mehr kosten, damit
die Lieferketten sicherer werden. Im Gegenzug könnte man darüber reden, ob besonders teure Medikamente diesen hohen Preis immer wert sind.“
Eine Vorratshaltung sei in bestimmten Fällen sinnvoll, aber nicht bei allen 103.000 in Deutschland zugelassenen Medikamenten. „Das wäre extrem teuer und würde das Problem nicht lösen.“ Das BfArM hat aktuell fast 290 Meldungen über Lieferengpässe bei Medikamenten erfasst.
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