Arzneimittel-Rückrufe

BfArM: Keine Vorwarnung für Apotheker Alexander Müller, 07.05.2015 14:17 Uhr

Berlin - 

Es war einer der großen Aufreger in Apotheken in der Vorweihnachtszeit: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte das Ruhen von 80 Zulassungen angeordnet, quasi über Nacht durften die Präparate nicht mehr abgegeben werden. Die Bonner Behörde musste sich wegen ihrer Informationspolitik viel Kritik von Apothekern anhören. Jetzt hat BfArM-Chef Professor Dr. Karl Broich beim DAV-Wirtschaftsforum das Vorgehen seiner Behörde erklärt und verteidigt.

Das BfArM hatte die Arzneimittel wegen mutmaßlich gefälschter Bioäquivalenzstudien des indischen Dienstleisters GVK Biosciences für nicht verkehrsfähig erklärt. Dass die betroffenen Präparate vermutlich dennoch sicher waren, lässt Broich als Argument nicht gelten: „Generika haben einen einzigen Qualitätsnachweis, das ist die Bioäquivalenz.“ In der Praxis würden aber viele dieser Studien weiterverkauft. Damit sei es schwer nachvollziehbar, welcher Hersteller die Studie tatsächlich durchgeführt habe.

Es habe über mehrere Monate gedauert, alle Beteiligten zu identifizieren, erklärte Broich. Die französischen Kollegen hätten erhebliche Mängel festgestellt: Alle acht untersuchten Zulassungen bezogen sich auf gefälschte Studien, so Broich. Die Daten seien unvollständig gewesen, und damit die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt.

„Unser Interesse war nicht, Generika grundsätzlich zu verunglimpfen“, versicherte Broich. „Aber bei gravierenden Zweifeln, dass über lange Zeit systematisch gefälscht wurde bei diesen Studien, müssen wir invalidisieren. Dann erlischt automatisch die Zulassung.“ Darüber habe das BfArM sofort informieren müssen. „Es ging auch um unsere Glaubwürdigkeit“, so Broich.

Das galt in diesem Fall wohl besonders, weil in der Bonner Behörde bekannt war, dass mehrere große Medien zu dem Thema recherchierten. „Rechtlich konnte wir nicht mehr warten, dann wären wir am Samstag in den Nachrichten explodiert“, sagte Broich. „Dann hätten wir ein viel größeres Problem gehabt.“ Das BfArM wollte das Vertrauen, „dass es uns um die Patientensicherheit geht“.

Auch intern hatten die Verantwortlichen im BfArM lange diskutiert, wie das Risiko einzuschätzen sei. Daher habe man sich schließlich für einen Kompromiss entschieden: Die Zulassungen wurden nicht widerrufen, sondern nur ihr Ruhen angeordnet. Die Hersteller seien per Fax informiert worden. Das Ruhen der Zulassung werde mit Zugang beim Hersteller unmittelbar wirksam und müsse auch sofort öffentlich zugänglich gemacht werden, erklärte der BfArM-Chef die rechtlichen Grundlagen.

Wenn die Hersteller in der Folge andere Studien vorlegen konnten, seien die Präparate schnell wieder freigegeben worden. „Das war ein extrem mühsamer Prozess“, so Broich. „Wir mussten jeden Tag neu reagieren, und deshalb wurde die Liste täglich aktualisiert.“

Täglich reagieren mussten somit auch die Apotheker, um nicht versehentlich ein nicht verkehrsfähiges Arzneimittel abzugeben oder – bei schon wieder erteilter Freigabe – womöglich einen Rabattvertrag nicht zu beachten.

Die Kritik eines Apothekers, der aus der Tageszeitung von den Rückrufen erfahren hatte, wies Broich zurück. „Gegen den Vorwurf der 'publicity' verwehre ich mich natürlich sehr.“ Es gebe eben geregelte Verfahren, und die seien auch nicht willkürlich, sondern hätten ihren Sinn. „Wir können Sie nicht drei Tage vorher vorwarnen, so schön das wäre“, so Broich. Denn dann würden die Hersteller der Behörde aufs Dach steigen.

Der Vize des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Dr. Rainer Bienfait, hatte einen Alternativ-Vorschlag: „Kann man nicht allgemein informieren, dass etwas kommt, übermorgen um 14 Uhr? Wir laufen sonst immer hinterher und haben den Ärger mit den Leuten.“

Broich hat Bedenken, dass dies in der Praxis funktionieren würde: „Dann stehen die Telefone bei Ihnen nicht mehr still, und bei uns auch nicht.“ Ein Vorwarnen mit längeren als den gesetzlichen Fristen sei nicht möglich: „Für uns ist das Patientenvertrauen entscheidend“, sagte der BfArM-Chef. Gleichwohl nehme man die Kritik von den Apothekern sehr ernst und werde versuchen, die Kommunikation zu verbessern. Hierzu laufen bereits Gespräche.