Kava: Abgewürgt statt verboten Julia Pradel, 11.09.2015 09:11 Uhr
Im Fall Kava-Kava haben die Hersteller vor Gericht einen Sieg gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) errungen. Doch es nützt ihnen wenig. Denn die Behörde erlaubt Kava-Kava nur unter strengen Auflagen. Praktisch bedeutet das wohl das Aus für Phytopharmaka mit dem Wirkstoff – zumal man in Bonn offenbar wenig Interesse an einem Comeback der Präparate hat.
Der Streit um Kava-Kava begann bereits um die Jahrtausendwende. Aufgrund von Verdachstfällen in der Schweiz hatte das BfArM eingeleitet und 2002 ein Ruhen der Zulassung angeordnet. Nachdem Behörde und Hersteller lange um die Studienlage gestritten hatten, wurde die Zulassung im Dezember 2007 widerrufen. Das Verwaltungsgericht Köln hob den Widerruf des BfArM im Mai 2014 auf. Dagegen legte die Behörde Rechtsmittel ein. Im Februar bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) das Urteil der Vorinstanz – das BfArM akzeptierte die Entscheidung.
Ende August informierte die Behörde die Hersteller nun darüber, unter welchen Bedingungen Kava-Kava wieder auf den Markt kommen darf. Dabei hielt sich das BfArM sehr eng an die Begründung des OVG: Das hatte erklärt, ein Rückruf sollte nur letztes Mittel sein, und auf die Empfehlungen der Kommission E verwiesen.
Diese Sachverständigenkommission, die das BfArM bei pflanzlichen Arzneimitteln berät, hatte verschiedene Regularien zur Eindämmung des Risikos von Kava-Kava empfohlen: die Verschreibungspflicht, eine klare Indikationsstellung, eine maximale Tagesdosis von 120 mg Kava-Pyronen, eine Packungsgröße von maximal 30 Einheiten à 120 mg Kava-Pyronen, eine Therapiedauer von üblicherweise einem und maximal zwei Monaten sowie die wöchentliche Bestimmung der Leberwerte.
Das BfArM legte die maximale Tagesdosis auf 200 mg Kava-Pyrone fest und folgte ansonsten den empfohlenen Vorgaben. Die Hersteller sind entsprechend unzufrieden. Besonders ärgern sie sich über die vorgesehenen wöchentlichen Leberwertmessungen. „Das ist eine Behandlung, die nie zuvor gefordert wurde, mit Ausnahme von Flupirtin“, so Dr. Mathias Schmidt. Der Inhaber des Zulassungsdienstleisters HerbResearch beschäftigt sich seit Jahren mit Kava und war als Gutachter an dem Prozess beteiligt. Er ist überzeugt: „Das ist ein Abwürgen von Kava durch die Hintertür.“
Mit dem Gerichtsurteil zu Kava-Kava ist er dennoch zufrieden: „Der Prozess wurde nicht wegen Kava an sich geführt, sondern wegen der grundsätzlichen Bedeutung.“ Schmidt hatte kritisiert, dass das BfArM ein Signal für ein potenzielles Risiko herangezogen habe, um eine Nutzen-Risiko-Bewertung beginnen zu können. Bei der Prüfung sei es dann aber gar nicht mehr um mögliche Sicherheitsprobleme gegangen, sondern nur noch um die Wirksamkeit. Da diese aus Sicht des BfArM nicht gegeben war, wurde die Zulassung entzogen.
Dieses Vorgehen sieht Schmidt kritisch: „Die Studien wurden nicht mehr anerkannt und das Präparat für wirkungslos erklärt. Dann könnte man aber 99 Prozent des Marktes rausschmeißen“, sagt er mit Blick auf die Benzodiazepine. Das OVG sah es ähnlich. „Wir sind sehr denkbar, dass das Gericht eine klare Sprache gesprochen hat“, so Schmidt. „Selbst wenn Kava nicht wiederkommt, war das Verfahren ein Erfolg.“
Schmidt kann nicht verstehen, warum sich das BfArM so eng an die Empfehlungen der Kommission E aus dem Jahr 2002 gehalten hat. Diese Empfehlungen seien als eine Art „Notfallmaßnahme“ gegen das drohende Verbot von Kava-Kava entstanden, erklärt er. Aktuell habe das BfArM die Kommission allerdings nicht erneut angehört.
Das kritisieren auch die sechs Hersteller, die damals für Kava-Kava gegen den Beschluss des BfArM vorgegangen waren: AME Arzneimittel-Entwicklungsgesellschaft (Kava-Regulanz-Tropfen), Ardeypharm (Ardeydystin forte), Harras Pharma (Kavasedon), Krewel Meuselbach (Antares, Kava-Mara, Kava Mono, Semaren und Wati), MIT Gesundheit (Ka-Sabona) und Steigerwald (Fri Kapseln).
Sie würden sich wünschen, dass die Kommission doch noch zu Wort kommt – in der Hoffnung auf eine andere Einschätzung, so Schmidt. Die Entscheidung, das zu tun, liege aber allein bei der Behörde. Die Industrie habe darauf keinen Einfluss.
Bevor allerdings überhaupt ein Kava-Präparat auf den Markt kommen kann – unabhängig von allen weiteren Vorgaben –, braucht es eine neue Monografie. Die alten Zulassungen bezogen sich auf eine Monografie aus dem Jahr 1998, die inzwischen zurückgezogen wurde. Zu Recht, meint Schmidt: Die Monograrie sei „total überaltet“ gewesen und habe etliche Fehler aufgewiesen.
Nun muss eine neue Monografie her, die laut BfArM durch geeignete analytische Verfahren sicherstellen muss, dass ausschließlich Noble-Kava verwendet wird. Diese Art von Kava bleibe drei bis fünf Jahre im Boden und werde im Südpazifikraum getrunken, erklärt Schmidt. Anders als das Twoday-Kava: Das habe bis zu zwei Tage anhaltende Nebenwirkungen, sei aber nur ein Jahr im Boden und deshalb billig in der Herstellung. „Es muss verhindert werden, dass das in den Handel kommt“, betont Schmidt.
Er arbeitet derzeit an Studien und Parametern zur Unterscheidung der beiden Kava-Sorten. „Man braucht eine klare Spezifikation“, so Schmidt. Die Südpazifikländer hätten sich ohnehin bereits zum Ziel gesetzt, den Codex Alimentarius der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu überarbeiten. Dieser legt Standards der Vereinten Nationen für Lebensmittel fest. Im Frühjahr 2016 findet die nächste Sitzung für den Codex Alimentarius statt.
Derzeit läuft zudem der Aufruf des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), wissenschaftliche Artikel zur Bewertung von Kava-Kava einzureichen. Schmidts Untersuchungen sollen auch in die Erarbeitung der Monografie einfließen. Das Verfahren sieht er allerdings kritisch: Die Monografie werde von derselben Stelle erarbeitet, die anschließend für die Zulassungen zuständig sei. Und die Standards seien bindend für die Zulassung