Betäubungsmittel per Versand – ist das erlaubt? Deniz Cicek-Görkem, 28.12.2018 09:09 Uhr
Nicht alle Arzneimittel dürfen im Wege des Versandes an den Patienten ausgeliefert werden. Betäubungsmittel (BtM) sind in diesem Zusammenhang nicht in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) aufgeführt. Dürfen sie trotzdem mit dem Postboten auf die Reise durch Deutschland gehen?
BtM sind besonders beratungsbedürftige Medikamente – insbesondere bei Patienten, die sie zum ersten Mal verordnet bekommen haben. Eine weitere Herausforderung bei diesen stark wirksamen Arzneimitteln ist der Abgabevorgang in der Apotheke. So müssen die Anforderungen für ein korrekt ausgestelltes BtM-Rezept beachtet und Zu- und Abgänge im Bestand lückenlos dokumentiert werden. PTA und Apotheker sollten auch abwägen, ob sie die stark wirksamen Substanzen an Kinderhände geben, wenn diese als Boten geschickt werden. Ein klares Verbot gibt es nicht, es handelt sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung.
Der Gesetzgeber verbietet den Versand von Arzneimitteln, die die Wirkstoffe Thalidomid, Pomalidomid oder Lenalidomid enthalten, sowie zur Notfallkontrazeption zugelassene Arzneimittel mit den Wirkstoffen Levonorgestrel oder Ulipristalacetat gemäß § 17 Abs. 2b ApBetrO. Aber auch apothekenpflichtige Arzneimittel, die auch zur Anwendung bei Tieren zugelassen sind, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, dürfen nach § 43 Abs. 5 Arzneimittelgesetz (AMG) nicht versendet werden.
Ein Verbot gilt weiterhin allgemein für Arzneimittel, zu deren Anwendung ein Informations- und Beratungsbedarf besteht, der auf einem anderen Weg als der persönlichen Information oder Beratung durch einen Apotheker nicht erfolgen kann. Das ist in § 17 Abs. 2a Satz 2 ApBetrO geregelt. Näher definiert ist nicht, wann ein entsprechender Informations- und Beratungsbedarf vorliegt. Das muss vom Apotheker entschieden werden.
Was ist also mit BtM? Eine gesetzliche Regelung für diese Arzneimittel gibt es zwar nicht, nach den Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zum Versandhandel vom 18. März 2004 sollten verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel im Sinne der Anlage III BtMG nicht versendet werden. Auch flüssige Zubereitungen von Zytostatika, radioaktive Arzneimittel und Arzneimittel mit sehr kurzer Haltbarkeit (abhängig von der Dauer des Transportes) fallen in diese Kategorie. Das Ministerium beruft sich bei dieser Formulierung auf „Fachkreise, die eine Abgabe auf dem Wege des Versandes als nicht geeignet angesehen”. Der Apotheker habe jedoch in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen das jeweilige Arzneimittel versendet werden kann.
Für Apotheken mit einer Versandhandelserlaubnis bedeutet das daher, dass ein BtM-Versand unter Experten zwar nicht gern gesehen wird, er aber auch nicht unmöglich ist. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC verschicken bundesweit etwa zehn Apotheken Cannabis-haltige Arzneimittel wie Blüten und Extrakte – und damit BtM – an Patienten. Auf Nachfrage hin bestätigten einige der Apotheken diese Handhabe, scheuen sich aber, namentlich Stellung zu beziehen, aus verschiedenen Gründen: „Die Fahrer könnten aufmerksam gemacht werden und die Kartons später in falsche Hände gelangen, was dann die Patientenversorgung kurz- und langfristig beeinträchtigen könnte”, so die Begründung einer Apothekerin. Für die Postpakete nutze sie gebrauchte Kartons, um einen „langweiligen” Anschein zu erwecken. Sie sei in dieser Hinsicht sehr penibel: „Der Fahrer darf nichts von Cannabis sehen.” Sie biete den Service in erster Linie an, um Patienten zu unterstützen, denn oftmals würden sie als „Junkies” abgestempelt – auch von Kollegen. „Es gibt viele Mythen rund um Cannabis.”
Ein anderer Apotheker, der ebenfalls anonym bleiben möchte, sagt: „Wir versenden Cannabis, haben aber keinen Onlineshop.” Auf der Website habe er mal die Blütensorten gelistet, die er an Lager hatte. „Die zuständige Kammer hat mir das untersagt, mit Verweis auf das Heilmittelwerbegesetz.” Er sei bemüht, möglichst viele Sorten vorrätig zu halten, um eine optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten. „Ich beschäftige mich seit fünf Jahren mit der Versorgung von Cannabis-Patienten. Die Prüfungen und Abfüllungen mache ich hauptsächlich selbst”, erzählt er weiterhin. In seiner Apotheke würden die Cannabis-Medikamente per DHL-Paket versichert verschickt. Damit die BtM so sicher wie möglich an die Hände des Patienten gelangen, erfolge die Zustellung persönlich. „Wir schließen die Zustellung über Nachbarn aus.”
In gleicher Weise läuft die Versandabwicklung bei einem weiteren Apotheker ab: „Alles was derzeit lieferbar ist, haben wir an Lager”, sagt er und bestätigt, auch BtM zu versenden. „Wir haben uns auf Cannabis-Medikamente spezialisiert und versenden nur solche.” Er fügt hinzu: „Der Versand von Cannabis ist eine logistische Herausforderung, vor allem was Beratung, Rezeptgültigkeit und Lieferfähigkeit der einzelnen Blütensorten betrifft.” Da er Angst vor einem „Ansturm” von Patienten und vielmehr von solchen Leuten habe, die Cannabis gar nicht zu medizinischen Zwecken benötigten, möchte er nicht namentlich genannt werden. „Mit Cannabis ist das so eine Sache.“
Ein Apotheker, der offen damit umgeht, ist Tobias Loder, Inhaber der Apotheke Lux99 (Hürth). Er bietet seit kurzem den Versand von Arzneimitteln auf Basis von Cannabis an. Einen Hehl daraus macht er nicht: „Es ist nicht verboten und damit erlaubt.” Denn auch die BtM-Bestellungen der Apotheke kämen doch per Post an. Der Pharmazeut hat auch eine Website speziell für Cannabis-Patienten anlegen lassen. Hier können die Betroffenen Verfügbarkeitsdaten ihrer Blütensorte live aufrufen.
Die Apotheke ist nach eigenen Angaben beim Thema Cannabis sehr erfahren: „Aus der Betreuung zahlreicher Patienten verfügen wir auch über praktische Erfahrung hinsichtlich verschiedener Applikationsarten (Rauchen, Verdampfen, Essen, Trinken, Öle, Extrakte, Kapseln), geeigneter Dosierungsschemata und der Herstellung von Extrakten. Das Rauchen der Blüten ist aus medizinischer Sicht abzulehnen und ist für die meisten Patienten keine Option. Neben den aktuell erhältlichen Blüten führen wir auch alle Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis als Lagerartikel”, heißt es auf der Website.
Patienten mit einem gelben Rezept können bei dieser Apotheke, die über eine Versandhandelserlaubnis verfügt, einen DHL-Versandhandelsaufkleber anfordern, um die BtM-Verordnung kostenlos einschicken zu können, alternativ sei das Einschicken auch per Einschreiben möglich. Der Patient muss daher dafür sorgen, dass das BtM-Rezept schnell in der Apotheke eintrifft, da es nach Ausschreibungsdatum nur sieben Tage gültig ist.
Wenn das Rezept in der Apotheke vorliegt, wird in der Apotheke Lux99 das Arzneimittel mit DHL Express noch am gleichen Tag verschickt. Doch bevor das alles ablaufen kann, muss sich der Patient zunächst in der Apotheke melden, damit telefonisch die pharmazeutische Beratung erfolgen kann. „Cannabispatienten sind anspruchsvolle Patienten. Wir beraten sie unter anderem zur Anwendung und zur Rezeptgültigkeit. Häufig kommt der Versand erst gar nicht zustande”, so Loder.
Apotheken mit einem solchen Angebot können das auch als Alleinstellungsmerkmal für sich nutzen, denn im Vergleich zu ausländischen Versandapotheken dürfen sie BtM verschicken. Der BtM-Versand ist aber aufgrund der besonderen Stellung dieser Arzneimittel auch mit einer besonderen Verantwortung verbunden.