USA

Belladonna: Giftige Tabletten Nadine Tröbitscher, 02.03.2017 15:06 Uhr

Berlin - 

Das Zahnen kann für Babys und Eltern eine anstrengende Zeit sein – homöopathische Präparate versprechen Linderung. In den USA sorgten Todesfälle für Schlagzeilen, die Arzneimittelbehörde FDA warnt vor Belladonna-haltigen Homöopathika. Ein Produkt wurde in der Konsequenz vom Markt genommen. Wie konnte es zur tödlichen Wirkung kommen und stellen Präparate auf dem deutschen Markt eine Gefahr dar?

In der Homöopathie werden giftige Stoffe verarbeitet und so verdünnt, dass sie für den Körper unschädlich sein sollen und eine heilende Wirkung ausüben. Verbraucher vertrauen daher auf die Harmlosigkeit der Präparate. Da Homöopathika registriert und nicht wie Arzneimittel zugelassen werden, unterliegen sie nicht dem Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit. Die Hersteller müssen keine entsprechende Studien bei der zuständigen Behörde vorlegen.

Eine Überdosierung durch eine zu hohe Konzentration der Präparate führte in den USA seit 2006 zu zehn Todesfällen. Die FDA konnte im verwendeten Produkt einen zu hohen Gehalt an Belladonna nachweisen. Die Schwarze Tollkirsche enthält giftige Verbindungen wie Atropin und Hyoscyamin. Diese Tropan-Alkaloide besitzen eine parasympatholyische Wirkung: In der Folge werden die glatte Muskulatur entspannt und die Bronchien erweitert. Typisch sind die Erweiterung der Pupillen und Mundtrockenheit.

Eine Wirkung auf das zentrale Nervensystem kann zu delirant halluzinogenen Effekten führen. Eine Intoxikation kann durch Atem- und Herzstillstand schließlich einen tödlichen Ausgang nehmen. Die letale Dosis wird bei Kindern auf drei bis vier Beeren beziffert.

Belladonna wird in der Selbstmedikation in den Potenzen D6 bis D30 empfohlen. In den Verdünnungen einschließlich D3 sind die Darreichungsformen verschreibungspflichtig. „Die schöne Frau“ hat ein vielfältiges Einsatzgebiet: Globuli, Tabletten oder Tropfen können bei grippalen Infekten, Kopfschmerzen oder Zahnungbeschwerden eingenommen werden. Homöopathen empfehlen die Präparate bei plötzlich auftretenden Beschwerden mit starken Symptomen.

In den USA war Belladonna in Hyland's Zahnungstabletten des kalifornischen Herstellers Standard Homeopathic Company enthalten. Während der Anwendung wurden der FDA seit 2006 etwa 400 Fälle von unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit der Gabe des Präparates gemeldet. Die Kinder litten unter Ohnmacht, Atemnot, Krämpfen oder Lähmungserscheinungen. In der vergangenen Woche verstarb ein neun Monate altes Mädchen nach der Gabe der Tabletten.

Analysen der FDA ergaben einen zu hohen Gehalt an Atropin und Scopolamin. Der Nachweis der giftigen Substanzen lässt laut FDA auf einen schlecht kontrollierten Herstellungsprozess schließen. Normalerweise hätten gar keine Belladonna-Inhaltsstoffe in den homöopathischen Präparaten zu finden sein dürfen. Während der Untersuchungen der Produktionsstätten konnte die FDA Mängel in der derzeitigen Herstellungspraxis nach GMP feststellen. Diese beziehen sich einer Sprecherin zufolge auf schlechte Herstellungskontrollen und Labordaten.

Bei Kindern unter zwei Jahren seien die Folgen von Belladonna unvorhersehbar und entsprechende Präparate ein unnötiges Risiko, kommentierte FDA-Direktorin Janet Woodcock. Eltern und Erzieher sollten homöopathische Zahnungstabletten nicht mehr verwenden und bei ihrem Arzt oder Apotheker nach Alternativen fragen.

Die FDA hat die Tabletten nach eigenen Angaben vor deren Markteinführung weder auf ihre Sicherheit noch auf ihre Wirkung geprüft. Es seien keine positiven Effekte der Präparate bekannt.

Ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gab Entwarnung: „Mit Blick auf den Patientenschutz gibt es in Deutschland weitergehende Regelungen, die gewährleisten, dass die Sicherheit von homöopathischen Arzneimitteln vorab durch das BfArM geprüft wird.“ Da die Präparate zugelassen oder zumindest registriert würden, seien vergleichbare Fälle hierzulande so nicht denkbar. Stelle sich heraus, dass ein Medikament nicht den Anforderungen entspricht, könne es in kürzester Zeit vom Markt genommen werden.