Bei Prävention Entwicklungsland dpa, 05.07.2007 19:26 Uhr
Jeder vierte Todesfall in Deutschland geht nach Angaben von Suchtforschern auf das Rauchen, riskanten Alkoholkonsum oder Übergewicht und damit auf vermeidbare Ursachen zurück. Angesichts dieser Tatsache müsse die Prävention verstärkt werden, sagte der Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Greifswald, Ulrich John, auf einer Expertentagung in Greifswald. Neben gesetzlichen Maßnahmen wie Steuererhöhungen für Tabak und Alkohol oder Verkaufseinschränkungen müssten individuelle Beratungssysteme ausgebaut werden. "Deutschland ist trotz aller Fortschritte im Nichtraucherschutz im europaweiten Vergleich noch immer ein Präventions-Entwicklungsland", sagte John.
Nach Ansicht des Suchtforschers muss die Rolle der Arztpraxen bei der Suchtvorbeugung und -entwöhnung gestärkt werden. "Arztpraxen bilden einen hervorragenden Zugang zur Allgemeinbevölkerung", sagte John. So hätten in einer Pilotstudie der Universität Greifswald 27 Prozent der rauchenden Patienten vom Rauchen entwöhnt werden können. An der Studie mit Hilfe von computergestützten Beratungssystemen beteiligten sich 39 ausgewählte Arztpraxen. Das Projekt soll nun auf ganz Mecklenburg-Vorpommern ausgeweitet werden. "Wir dürfen Prävention nicht als Verteilen von Hochglanzbroschüren verstehen, sondern müssen einen direkten Zugang zu den Betroffenen finden."
Als zweite effektive Säule der Prävention erweisen sich nach Angaben Johns gesetzliche Maßnahmen wie Steuererhöhungen für Zigaretten und Alkohol. Neben der Anhebung der Alkoholsteuer sprach er sich dafür aus, die Erhältlichkeit von Alkohol stark zu begrenzen und den Verkauf an Tankstellen oder in der Nähe von Schulen zu verbieten. "Selbst nach den extrem bescheidenen Präventionsmaßnahmen haben sich bereits gewünschte Effekte ergeben", sagte John. Nach der Einführung der Alkopopsteuer auf spirituosenhaltige Mischgetränke im Sommer 2004 sei der Absatz dieser Mixgetränke im Jahr 2005 um 50,5 Prozent eingebrochen.
Nach Angaben des Dresdner Suchtforschers Gerhard Bühringer ging das Einstiegsalter für Alkohol- und Zigarettenkonsum in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Dies sei problematisch, weil Kinder und junge Jugendliche nicht in der Lage seien, mit Alkohol und Zigaretten umzugehen. "Die Rauschexzesse nehmen zu und damit auch die Schädigungen." Allein die stationäre Behandlung von alkoholbedingten Krankheiten in Deutschland kosteten pro Jahr rund 2,7 Milliarden Euro. Von einem riskanten Alkoholkonsum sprechen die Forscher, wenn Frauen pro Tag 20 Gramm Alkohol (ein viertel Liter Wein) und Männer pro Tag 30 Gramm Alkohol (einen halben Liter Bier) trinken.