Erhaltungstherapie bei Urothelkarzinom

Bavencio ist Erstlinientherapie APOTHEKE ADHOC, 02.07.2020 08:47 Uhr

Avelumab ist die erste Immuntherapie mit nachgewiesener statistisch signifikanter Verbesserung des Gesamtüberlebens im Erstlinien-Setting bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom. Foto: Shidlovski/shutterstock.com
Berlin - 

Merck und Pfizer haben von der US-Arzneimittelbehörde FDA die ergänzende Zulassung für Bavencio (Avelumab) als Erhaltungstherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom (UC) erhalten, das unter platinhaltiger Erstlinienchemotherapie nicht fortgeschritten war. Es handelt sich dabei um die erste und einzige von der FDA zugelassene Immuntherapie mit einem signifikanten Überlebensvorteil beim Urothelkarzinom in der Erstlinientherapie.

Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie „Javelin Bladder 100“, deren Daten auf der Jahrestagung der virtuellen American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt wurden: Sie belegen eine statistisch signifikante Verbesserung beim Gesamtüberleben (OS) für Bavencio plus der bestmöglichen Begleitbehandlung (BSC) im Vergleich zu alleiniger BSC nach vorangegangener Induktions-Chemotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem UC. Es handelt sich bei der Studie um eine multizentrische, multinationale, randomisierte, offene Phase-III-Studie mit Parallelgruppe. Insgesamt wurden 700 Patienten im Rahmen der Studie untersucht. Primärer Endpunkt war in den zwei primären Populationen mit allen Patienten beziehungsweise Patienten mit positivem PD-L1-Status das Gesamtüberleben.

Wirkstoff Avelumab

Avelumab ist damit die erste Immuntherapie mit nachgewiesener statistisch signifikanter Verbesserung des Gesamtüberlebens im Erstlinien-Setting bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom. Es handelt sich um einen humanen Antikörper, der gegen den programmierten Zelltod-Liganden 1 (PD-L1) gerichtet ist. Die Blockade der Interaktion zwischen PD-L1 und PD-1-Rezeptor führt nachweislich zu einer Aufhebung der Unterdrückung der T-Zell-vermittelten Antitumor-Immunabwehr. Modelle zeigten zudem, dass der Wirkstoff sowohl adaptive als auch angeborene Immunfunktionen umfasst.

„Die nun erfolgte Zulassung durch die FDA stellt seit 30 Jahren erstmals wieder einen entscheidenden Fortschritt bei der Behandlung dar“, erklärte Professor Dr. Petros Grivas, einer der leitenden Prüfärzte der Studie. „Mit einem medianen Gesamtüberleben von über 21 Monaten ab dem Zeitpunkt der Randomisierung und damit dem längsten Gesamtüberleben in einer Phase-III-Studie bei fortgeschrittenem Urothelkarzinom hat das Therapieschema von Javelin Bladder 100 mit Avelumab als Switch-Erhaltungstherapie in Erstlinie das Potenzial, zu einem neuen Behandlungsstandard werden.“ Es sei nachweislich in der Lage, den Nutzen der Induktionschemotherapie in Form von Remission oder Krankheitsstabilisierung zu verstärken und das Leben der Patienten zu verlängern.

Platinbasierte Chemotherapie als bisheriger Standard

Bisher ist die platinbasierte Chemotherapie der Erstlinienstandard. Grund dafür sind die hohen initialen Ansprechraten. Dennoch kommt es bei vielen Patienten innerhalb von neun Monaten nach Behandlungsbeginn zu einer Krankheitsprogression. Nur 5 Prozent der Patienten mit metastasiertem Erkrankungsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose überleben länger als fünf Jahre. „Viele Patienten mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenen Urothelkarzinom profitieren von der initialen Chemotherapie. Wir brauchen aber dennoch Behandlungsoptionen, die zur Lebensverlängerung der Patienten beitragen“, sagte Andrea Maddox-Smith, CEO des Bladder Cancer Advocacy Network.

2017 erhielt Bavencio von der FDA bereits eine beschleunigte Zulassung zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem UC zugelassen, deren Tumorerkrankung unter oder nach platinhaltiger Chemotherapie beziehungsweise innerhalb von zwölf Monaten nach neoadjuvanter oder adjuvanter Behandlung mit einer platinhaltigen Chemotherapie fortgeschritten war. Aufgrund der neuen Ergebnisse wurde die beschleunigte Zulassung nun in eine uneingeschränkte Zulassung umgewandelt.

„Diese Zulassung von Bavencio bietet uns die Chance, einen Paradigmenwechsel bei der Standard-Erstlinientherapie von fortgeschrittenem Blasenkrebs herbeizuführen. Wir konzentrieren uns jetzt auf die enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaftsgemeinschaft zu Erkrankungen des Urogenitaltrakts, um zu erreichen, dass dieser neuartige und potenziell lebensverändernde Therapieansatz schnell in die klinische Praxis Einzug hält“, sagte Rehan Verjee, Leiter Nordamerika und globaler Leiter der Innovative Medicine Franchises im Biopharma-Geschäft von Merck.

Breit gefächerte Zulassungen

Derzeit hat Bavencio bereits in 50 Ländern weltweit die Zulassung für verschiedene Indikationen: In der EU ist Bavencio in Kombination mit Axitinib als Erstlinientherapie bei erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) zugelassen. Im September 2017 kam eine bedingte Marktzulassung als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem Merkelzellkarzinom (mMCC) hinzu.

In den USA ist das Arzneimittel ebenfalls in Kombination mit Axitinib zur Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) indiziert. Avelumab wurde außerdem beschleunigt für die Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit metastasiertem Merkelzellkarzinom (mMCC) sowie Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom (UC), deren Tumorerkrankung unter oder nach platinhaltiger Chemotherapie beziehungsweise innerhalb von zwölf Monaten nach neoadjuvanter oder adjuvanter Behandlung mit einer platinhaltigen Chemotherapie fortgeschritten ist, zugelassen.

Basis für die beschleunigte Zulassung in diesen Indikationen ist die Tumoransprechrate und die Ansprechdauer. Die Aufrechterhaltung dieser Zulassung kann abhängig vom Nachweis und der Beschreibung des klinischen Nutzens im Rahmen von konfirmatorischen Studien sein. In den vergangenen Jahren musste der Wirkstoff jedoch auch Rückschläge verkraften: Im November 2017 verfehlte das Präparat in einer wichtigen Lungenkrebs-Studie sein Endziel, im Februar 2018 floppte der Wirkstoff erneut im Bereich Lungenkrebs.