Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) sind der Suche nach dem Auslöser für Multiple Sklerose (MS) einen Schritt näher gekommen. Im Verbund mit Kollegen der Universität Münster konnten sie erstmals nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Blutgerinnungssystem und dem Entstehen von MS gibt. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.
Die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems betrifft vor allem junge Erwachsene; allein für Deutschland geht man von rund 140.000 Patienten aus. Die Erkrankung verläuft typischerweise in Schüben, die unter anderem mit Sehstörungen, Lähmungen oder auch Gleichgewichtsstörungen einhergehen und zu dauerhaften Behinderungen führen können.
Das Forscherteam um Professor Dr. Christoph Kleinschnitz von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen konnte nun erstmals einen Zusammenhang zwischen Anomalien des Blutgerinnungsfaktors XII (FXII) und der Entstehung von MS zeigen. „Bei der MS greift das Immunsystem den eigenen Körper an und zerstört bestimmte Bestandteile der Nervenhüllen in Gehirn und Rückenmark. Das ein Blutgerinnungsfaktor dabei eine Rolle spielt, ist eine völlig neue Entdeckung“, so Kleinschnitz.
Die Forscher hatten FXII schon länger im Visier, allerdings in einem anderen Zusammenhang: So konnten sie nachweisen, dass der Blutgerinnungsfaktor in der Gerinnselbildung im Gehirn, beispielsweise nach einem Schlaganfall, eine wichtige Rolle spielt. „Dass er aber auch bei Autoimmunerkrankungen wie MS relevant ist, hat uns selbst überrascht“, so Kleinschnitz.
Sein Team konnte nachweisen, dass der FXII-Spiegel im Blut von MS-Patienten während eines akuten Krankheitsschubes besonders hoch ist. MS-kranke Mäuse ohne FXII-Gen entwickelten deutlich weniger neurologische Ausfallsymptome im Vergleich zu MS-Mäusen mit dem FXII-Gen. Bei ersteren bildeten sich weniger Interleukin-17A produzierende T-Zellen, die eine zentrale Rolle in der MS-Entstehung spielen. Darüber hinaus ließ sich belegen, dass FXII das Immunsystem bei MS über ganz bestimmte Antigen-präsentierende Zellen aktiviert, die Dendritischen Zellen.
„Unter therapeutischen Gesichtspunkten besonders spannend und relevant ist die Tatsache, dass wir im Tiermodell FXII durch eine neuartige Substanz, das Protein Infestin-4, hemmen konnten. Diese Substanz wurde ursprünglich aus einer blutsaugenden Raubwanze gewonnen “, erklärt Kleinschnitz. Die Blockade des FXII mittels Infestin-4 war auch dann noch erfolgreich, wenn die neurologischen Symptome von MS bereits manifest waren.
Hier könnte sich zukünftig ein ganz neuer Ansatz bei der MS-Therapie auftun, so die Forscher. Gemeinsam mit der entwickelnden Firma werden nun weitere Tests mit Infestin-4 folgen. Man wolle allerdings keine falschen Hoffnungen wecken, so die Wissenschaftler. Bis tatsächlich ein Medikament zur Verfügung stehe, werde es noch einige Zeit dauern.
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