Tageslicht schützt Kinderaugen Dr. Kerstin Neumann, 26.03.2016 08:03 Uhr
Kinder sollen möglichst viel bei Tageslicht im Freien spielen. Das rät die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG). Laut einer Studie, die im Fachjournal „Journal of the American Medical Association“ vorgestellt wurde, kann der Aufenthalt draußen nämlich nicht nur die gesundheitliche und geistige Entwicklung fördern, sondern auch Kurzsichtigkeit vorbeugen.
Besonders in Asien wird ein starker Anstieg der Kurzsichtigkeit bei jungen Erwachsenen beobachtet. Studiendaten zufolge leiden in Südostasien 80 bis 90 Prozent der Schulabgänger unter Myopie. Auch in Europa sind die Zahlen deutlich steigend. Über die Gründe wird intensiv geforscht. Eine erste Annahme, dass Kurzsichtigkeit durch einen Mangel an Bewegung hervorgerufen wird, wurde allerdings nicht bestätigt. Observationsstudien hatten aber darauf hingedeutet, dass der rasante Anstieg möglicherweise im Zusammenhang mit der im Freien verbrachten Zeit stehen könnte.
Um der Hypothese auf den Grund zu gehen, untersuchten chinesische und australische Forscher an zwölf Grundschulen in China die Sehkraft von knapp 2000 Erstklässlern. Zu Beginn der Studie wies keiner eine Sehschwäche auf. Die Hälfte der Schüler verbrachte über einen Zeitraum von drei Jahren täglich 40 Minuten spielend im Freien. Zusätzlich sollten die Eltern sie nachdrücklich ermutigen, draußen zu spielen. Die andere Hälfte fungierte als Kontrollgruppe: Für sie blieb das Spielverhalten während des Beobachtungszeitraums unverändert.
Nach drei Jahren wurde bei rund 30 Prozent der draußen spielenden Schüler eine Kurzsichtigkeit attestiert. In der Kontrollgruppe war die Inzidenz mit 40 Prozent deutlich höher. Auch die mittlere Stärke der Kurzsichtigkeit unterschied sich signifikant: Während die Kinder mit Aufenthalt im Freien eine Dioptrien-Zahl von 1,42 aufwiesen, war es bei den kurzsichtigen Kindern der Kontrollgruppe 1,59.
Die DOG sieht durch die Studienergebnisse die früheren Annahmen bestätigt, dass Spielen im Freien tatsächlich das Risiko für Kurzsichtigkeit mindert. „Vermutlich wären die Unterschiede zwischen den Gruppen bei einer täglichen Spielzeit von zwei Stunden draußen noch deutlicher“, erklärt DOG-Experte Professor Dr. Wolf Lagrèze vom Universitätsklinikum Freiburg. Es bleibe aber abzuwarten, ob der Effekt auch über einen längeren Zeitraum bestehen bleibe. Langzeitstudien seien bereits in Planung.
Warum Kinder ohne Aufenthalt im Freien mehr zu Kurzsichtigkeit neigen, lässt sich den Autoren zufolge wissenschaftlich erklären: Helles Tageslicht verhindert demnach, dass der Augapfel des Kindes in die Länge wächst. Bei Lichtmangel dagegen falle das Längenwachstum zu stark aus. Durch die Linse einfallendes Licht wird dann bereits vor der Netzhaut gebündelt – das typische Krankheitsbild der Kurzsichtigkeit.
Um dieses Phänomen zu verhindern, empfehlen Ophthalmologen, die Augen von Kindern täglich Beleuchtungsstärken von rund 10.000 Lux auszusetzen. Dieser Wert entspricht in etwa der Lichteinstrahlung eines leicht bewölkten Sommertages.