Schmerztherapie: End-of-dose Failure vermeiden Alexandra Negt, 23.11.2020 14:12 Uhr
Innerhalb der Schmerztherapie von Tumorpatienten werden Opiode der Stufe 3 zur Analgesie empfohlen. Hierzu gehören beispielsweise Morphin, Hydromorphon und Oxycodon. Nicht alle Präparate wirken bei allen Patienten gleich gut. Die individuelle Patientenbetrachtung kann sogenannte End-of-dose Failures vermeiden. 24-Stunden-Optionen stellen häufig eine gute Möglichkeit dar, dem Patienten dauerhafte Schmerzfreiheit zu ermöglichen.
Innerhalb der aktuell noch geltenden S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung“ sollen bei Patienten mit mittleren bis starken Tumorschmerzen Stufe-III-Opioide verwendet werden. Hierzu gehören die Wirkstoffe Morphin, Hydromorphon, Oxycodon, Buprenorphin und Fentanyl. Eine Kombination nieder- und hochpotenter Opioidanalgetika wird aufgrund von antagonistischen Wirkmechanismen nicht empfohlen. Reicht ein Wirkstoff der Klasse-III zum Erreichen der Schmerzfreiheit nicht aus, so sollte zunächst der Wechsel der Darreichungsform in Betracht gezogen werden. Viele Patienten profitieren von einer einmal täglich einzunehmenden Formulierung. In einigen Fällen kann die zusätzliche Gabe von nicht-opioiden Analgetika oder anderen Adjuvantien die Schmerzen weiter reduzieren. In der Praxis zeigt sich, dass einige Personen von der Gabe von Antidepressiva oder Antikonvulsiva profitieren können.
Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) zeigt, dass rund die Hälfte aller Tumorpatienten NSAID als Begleittherapie erhält. Mehr als ein Drittel erhält zu einem Wirkstoff der Stufe III noch einen Wirkstoff der Stufe II. Dieses Vorgehen entspricht nicht der gültigen Leitlinie. Auch Antidepressiva und Antikonvulsiva stehen bei ungefähr einem Drittel der Patienten auf dem Medikationsplan.
Das die Galenik, der ausgewählte Wirkstoff und der regelmäßige Kontakt zum Patienten großen Einfluss auf die Schmerzfreiheit hat erklärte Dr. med. Johannes Horlemann, Spezialist für Schmerz- und Palliativmedizin, innerhalb eines Pressegespräches der Firma Aristo. Er bemängelt, dass nicht alle Patienten eine ausreichende Analgesie im Rahmen der Tumortherapie erfahren. Beim Thema Wirkstoff sind nicht alle Opiode der Stufe III gleich gut für alle Patienten geeignet. Insbesondere multimorbide, geriatrische Patienten mit zahlreichen Co-Medikationen sollten vornehmlich Hydromorphon erhalten. Dieser Wirkstoff ist – ohne Dosisreduktion – auch bei eingeschränkter Nierenfunktion sehr gut geeignet. Darüber hinaus unterliegt Hydromoprhon, anders als die restlichen Arzneistoffe der Stufe III, nicht einer CYP P450 Metabolisierung. Hydromoprhon weist darüber hinaus eine relativ geringe Plasmaeiweißbindung von 8 Prozent auf.
Die niedrige Plasmaeiweißbindung sei gerade für kachektische Patienten gut geeignet, da diese an einer Hypalbuminämie leiden, so Horlemann. Hierunter versteht man eine verminderte Konzentration des Plasmaproteins Albumin im Blutplasma. Einen weiteren Vorteil sieht der Mediziner in der Dosierung. Verschiedene Hersteller bieten Präparate an, die über den ganzen Tag hinweg wirken. „Das Präparat von Aristo wirkt sogar 27,5 Stunden – also über die 24 Stunden hinaus. So lassen sich End-of-dose Failures sicher vermeiden.“ Bei Präparaten, die mehrmals täglich eingenommen werden müssen, sieht Horlemann in der Praxis wiederkehrende Schmerzspitzen bei den Patienten. Diese sollten vermieden werden.
Durch das Eindämmen von Schmerzspitzen erhält der Patient mehr Lebensqualität. Zum einen kann nächtliches Erwachen aufgrund von Schmerzen vermieden werden. Hierdurch ist der Patient am Tag fitter. Zum anderen reduziert sich die Angst vor dem Schmerz. Soziale Isolation und die Neigung zu Depressionen können ebenfalls verhindert werden. Um Schmerzspitzen frühzeitig festzustellen sei es wichtig regelmäßige Gespräche mit dem Patienten, den Angehörigen und den Pflegern zu führen.
Die Erfolgsquoten im Rahmen der Wirksamkeit nach einmaliger Einnahme unterscheiden sich stark. So zeigen rund ein Fünftel aller Tumorpatienten ein gutes Ansprechen auf Morphin. Rund ein Viertel der Patienten spricht nach erstmaliger Einnahme gut auf Oxycodon an. Bei Hydromorphon stellt sich bei 43 Prozent der Patienten innerhalb der First Response ein Behandlungserfolg ein. Vergleicht man Morphin und Hydromorphon, so zeigt sich, dass mehr Patienten, die mit Morphin therapiert werden, die Behandlung abbrechen. Morphin gilt als schlechter verträglich. Bei Patienten, die mit Hydromorphon behandelt werden, kann bei rund der Hälfte der Patienten in der Praxis ein Therapieerfolg verzeichnet werden, so Horlemann.
„Patienten sollten weitestgehend keine Schmerzspitzen erleben“, so Horlemann. Durch geeignete 24-Stunden-Präparate können sogenannte End-of-Dose Failures vermieden werden. Ist ein Patient nicht optimal eingestellt, so birgt die versagende Dosierung die Gefahr der emotionalen Instabilität und des sozialen Rückzuges. Aber auch körperlich kommt es zu unerwünschten Arzneimittelausprägungen: Die Patienten neigen eher zur Verwirrtheit, die Sturzgefahr und Gangunsicherheit steigt, es kann zu algogenen Schlafstörungen und Übelkeit kommen.
Vergleicht man Morphin, Hydromorphin und Oxycodon, so ist die Wahrscheinlichkeit für eine unzureichende Dosierung bei Morphin mit 31 Prozent am höchsten. Oxycodn zeigt in 26,2 Prozent der untersuchten Fälle ein Risiko für ein End-of-Dose Failure. Hydromorphon ist in rund 20 Prozent der Fälle nicht ausreichend.