Mehr ADHS-Diagnosen Karoline Schumbach/dpa, 30.01.2013 14:15 Uhr
Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland verlassen die Arztpraxis mit einer Diagnose auf Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS). In den vergangenen Jahren war laut Barmer-Arztreport jeder vierte Junge beziehungsweise Mann bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres zumindest einmal mit einer solchen Diagnose konfrontiert. Bei den Mädchen und jungen Frauen waren es 10 Prozent. Viele Patienten bekommen Medikamente, obwohl diese vorwiegend auf Symptome, nicht aber auf Ursachen abzielen.
Im Jahr 2011 hatten 750.000 Menschen, davon 552.000 Männer, die Diagnose ADHS – ein Plus von 49 Prozent binnen fünf Jahren. Bei den unter 19-Jährigen waren es 620.000 diagnostizierte Fälle, davon 472.000 bei Jungen. Zwischen 2006 und 2011 ergibt sich damit in dieser Altersgruppe ein plus von 42 Prozent.
„Wir haben hier amerikanische Verhältnisse“, sagt der Chef des Forschungsinstituts ISEG, Professor Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz. Das Institut aus Hannover hat die Studie im Auftrag der Barmer erstellt. Früher habe ADHS als in den USA besonders verbreitet gegolten – heute habe Deutschland nachgezogen.
Knapp jeder zweite diagnostizierte Patient wurde mit Methylphenidat behandelt: Im Laufe der Kindheit und Jugend dürften damit schätzungsweise 10 Prozent aller Jungen und 3,5 Prozent aller Mädchen mindestens einmal Methylphenidat erhalten.
Die Verordnungsraten sind laut Report zwischen 2006 und 2011 um 39 Prozent gestiegen – also weniger als die Diagnose-Zahlen. Auch die Dosierung sinkt: 2010 hatte jeder mit Methylphenidat behandelte Patient noch 217 Tagesdosen erhalten, ein Jahr später waren es nur noch 201 Tagesdosen.
Einen Löwenanteil von 44 Prozent der Behandlungskosten für ADHS machen aber begleitende Therapien aus, wie die Techniker Krankenkasse aus einer Studie des WINEG in Kooperation mit der Leibniz Universität Hannover und der Universität Bielefeld berichtete. Demnach geben die Kassen pro Jahr und Patient durchschnittlich 1704 Euro für Verhaltenstherapie und Heilmittel wie etwa Ergotherapie aus.
Die Kosten für Arzneimittel betragen demnach durchschnittlich pro Jahr und Patient 483 Euro. Dies entspreche einem Anteil an den Gesamtkosten von nur 12 Prozent, so die TK. Insgesamt summieren sich die Ausgaben pro ADHS-Patient und Jahr der Studie zufolge auf 3888 Euro – gegenüber 986 Euro bei Patienten ohne ADHS.