Ärzte sollen Medikationsfehler melden Julia Pradel, 08.01.2016 13:41 Uhr
Mediziner sollen künftig nicht nur Nebenwirkungen, sondern auch Medikationsfehler melden. Nach einem Jahr Vorbereitung startet nun das Modellprojekt der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte (AkdÄ). Um die Arbeit für die Ärzte möglichst gering zu halten, wurden für die Erfassung zwei Berichtsbögen entwickelt: Der Basisbogen soll bei jedem Fallbericht ausgefüllt werden, der Zusatzbogen nur bei Fällen von besonderem Interesse.
Für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die Ärzten bekannt werden, existiert seit Langem das Spontanmeldesystem. Berichte können per Post, Fax oder E-Mail sowie online an die AkdÄ übermittelt werden. Einzelne Fälle werden im UAW-Ausschuss diskutiert. Über die Ergebnisse wird öffentlich informiert.
Weil 2010 die Definition von Nebenwirkungen in der EU-Pharmakovigilanzrichtlinie geändert wurde, musste auch das Meldeverfahren angepasst werden. Seitdem gelten nicht nur UAW beim bestimmungsgemäßen Gebrauch als Nebenwirkung, sondern jede unbeabsichtigte und schädliche Reaktion auf ein Arzneimittel. Damit müssen auch Folgen von Fehlern gemeldet werden.
Mit dem Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland 2013-2015 wurde die AkdÄ damit beauftragt, Medikationsfehler systematisch zu erfassen und zu analysieren. Auf diese Weise sollen diese künftig vermieden werden. Laut Aktionsplan sind 5 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf internistische Stationen auf eine Nebenwirkung zurückzuführen – in 25 Prozent der Fälle liege ein Medikationsfehler zugrunde.
Das Projekt der AkdÄ läuft bereits seit einem Jahr. Seitdem wurden die Literatur analysiert und der Fragebogen entwickelt und evaluiert. Nun soll untersucht werden, ob bei Ärzten die grundsätzliche Bereitschaft besteht, Medikationsfehler zu melden, und ob eine systematische Analyse der gemeldeten Fehler im Rahmen der bestehenden Strukturen machbar ist.
Dabei geht es besonders um Fehler, die zu einem Schaden beim Patienten geführt haben. Aber auch Fallberichte aus anderen Quellen oder Berichte zu Fehlern, die zu keinem Schaden geführt haben, sollen erfasst und bewertet werden. Interessante und wichtige Fälle sollen – nach dem Vorbild der UAW-Meldungen – der Fachöffentlichkeit mitgeteilt werden.
Der ursprüngliche Fragebogen umfasste 16 Punkte. Um die Arbeit für die Ärzte gering zu halten, wurden die geforderten Angaben auf zwei Bögen verteilt. Auf dem Basisbogen werden neun absolut notwendige Informationen abgefragt. Dazu gehören neben Daten zu Arzt, Patient und Arzneimitteln etwa eine Beschreibung des Fehlers und der Folgen, sowie Faktoren, die den Fehler begünstigten.
In dem Zusatzbogen wird nach der Begleitmedikation und den eingeleiteten Maßnahmen gefragt. Die Ärzte sollen außerdem angeben, wo der Fehler auftrat: in der Praxis, der Apotheke oder im Pflegeheim beziehungsweise bei der Verschreibung, der Abgabe oder der Einnahme.
Bei der AkdÄ plant man, dass die Ärzte zunächst nur den Medikationsfehler-Berichtsbogen ausfüllen und abschicken. Bei besonders interessanten Fällen wird von der AkdÄ der vorausgefüllte Zusatzbogen an die Ärzte zurückgeschickt, die dann die fehlenden Angaben ergänzen. Damit Ärzte den Medikationsfehler auch anonym melden können, sind seit Anfang der Woche aber beide Formulare auf der Website der AkdÄ verfügbar.
Das AkdÄ-Projekt erfolgt in enger Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das leitet ein zweites Projekt zur AMTS: In den Notaufnahmen der Universitätskliniken in Bonn, Fürth und Ulm werden seit September ein Jahr lang Fälle identifiziert, in denen die Aufnahme möglicherweise, wahrscheinlich oder sicher mit einer UAW zusammenhängt.
In Fällen von vermeidbaren Medikationsfehlern soll der Studienarzt recherchieren, wie es zu dem Fehler kam. Außerdem soll untersucht werden, welche Ursachen zugrunde lagen und welche Faktoren das Auftreten des Fehlers begünstigt haben.