Zucker gegen Arteriosklerose APOTHEKE ADHOC, 11.04.2016 08:06 Uhr
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Fortschritt in der Schlaganfallforschung: Ein Forscherteam der Universität Bonn hat herausgefunden, dass der ringförmige Zucker Cyclodextrin Arteriosklerose verhindern und sogar zurückbilden kann. (von links: Professor Dr. Eicke Latz, Alena Grebe, Dr. Sebastian Zimmer) Foto: Barbara Frommann / Uni Bonn
Wenn allmählich die Schlagadern verhärten und sich entzünden, wird es gefährlich. Die Folgen der Arteriosklerose zählen zu den häufigsten Todesursachen in Industrieländern. Dazu zählen vor allem Herzinfarkte und Schlaganfälle. Ein Forscherteam von Immunologen und Kardiologen der Universität Bonn hat nun herausgefunden, dass der ringförmige Zucker Cyclodextrin die gefährlichen Ablagerungen verhindern und sogar zurückbilden kann. Die Ergebnisse werden jetzt im Fachjournal „Science Translational Medicine” veröffentlicht.
Nicht immer gelingen Wissenschaftlern Erfolge aufgrund von eigenen Ideen. Manchmal geben auch medizinische Laien wichtige Tipps, die anschließend zu echten Durchbrüchen führen. So war es auch mit Chris Hempel aus den USA, deren Zwillingstöchter an der seltenen Erkrankung „Niemann Pick Type C“ leiden. Genmutationen führen bei dieser Krankheit dazu, dass der Cholesterintransport in den Zellen nicht richtig funktioniert.
Bei den Betroffenen kommt es nach anfänglich normaler Entwicklung bereits im Kindesalter zur rapiden Verschlechterung der neurologischen Funktion mit kognitiven und motorischen Behinderungen. Bislang gab es für die Krankheit keine Therapie. Gemeinsam mit US-Wissenschaftlern entwickelte Hempel eine neuartige Behandlung mit Cyclodextrin, die zu einem besseren Abtransport von überschüssigem Cholesterin aus den Gehirnzellen führte. Derzeit laufen hierzu klinische Studien in den USA.
Wie kristallines Cholesterin massive Immunreaktionen hervorruft und zu lebensgefährlichen Entzündungen in Arterienwänden führt, erforscht auch Professor Dr. Eicke Latz vom Institut für Angeborene Immunität der Universität Bonn. Zum Zusammenhang von Arteriosklerose und Immunsystem hat er bereits im Jahr 2010 eine Studie veröffentlicht. Darin hatte das Forscherteam um Latz zeigen können, dass Cholesterin-Kristalle einen wichtigen Rezeptorkomplex des Immunsystems aktivieren und damit die Entzündungsreaktion in der Arteriosklerose verstärken. Hempel wurde darauf aufmerksam und berichtete dem Immunologen über ihre Erfahrungen mit Cyclodextrin bei „Niemann Pick Type C“.
Die Wissenschaftler untersuchten daraufhin, ob Cyclodextrin auch bei Arteriosklerose eine Wirkung zeigt. Die Forscher verabreichten Mäusen acht Wochen eine besonders cholesterinreiche Ernährung und spritzten den Tieren Cyclodextrin unter die Haut. „Sie waren weit weniger von Plaques in ihren Blutgefäßen betroffen als eine Kontrollgruppe, die kein Cyclodextrin bekam“, sagt Dr. Sebastian Zimmer vom Universitätsklinikum Bonn. Offensichtlich programmiert der ringförmige Zucker die Zellen auf eine Weise um, die zu einem besseren Abtransport von überschüssigem, kristallinem Cholesterin und zugleich zu einem Abklingen der Entzündung in den Blutgefäßen führt.
Der Transkriptionsfaktor Leber-X-Rezeptor (LXR) ist ein Schlüsselregulator des Cholesterinmetabolismus und spielt daher im Zusammenhang mit Arteriosklerose eine wichtige Rolle. Ist zu viel Cholesterin vorhanden, gibt LXR ein Signal. Daraufhin werden Gene aktiviert, die für den Abtransport in der Zelle zuständig sind. Außerdem reguliert der Faktor Entzündungen herunter.
Wurde bei Mäusen das Gen für LXR stumm geschaltet, funktionierte diese Signalkette nicht und Cyclodextrin zeigte keine Wirkung. Der Zucker übernimmt offensichtlich die Rolle eines Vermittlers, der die natürlichen Mechanismen des Cholesterinabbaus in den Zellen verstärkt und zusätzlich die Entzündungsreaktion vermindert.
Das Team untersuchte an menschlichen arteriosklerotischen Gefäßen, ob Cyclodextrin dort die gleiche Wirkung hat wie bei Mäusen. Die Forscher kultivierten Plaques, die aus den Halsschlagadern von Arteriosklerose-Patienten operativ entfernt wurden, um deren Blutdurchfluss zu verbessern.
Wurde in die Nährlösung Cyclodextrin gemischt, zeigten die Zellen die gleiche Umprogrammierung wie die der Nager: Die Mechanismen zur Rückbildung der Plaques sprangen an und die entzündliche Reaktion klang ab.
Latz hofft darauf, dass Cyclodextrin als ein Medikament zur Behandlung von Arteriosklerose weiterentwickelt werden kann. „Als Lösungsvermittler von Wirkstoffen ist es bereits auf dem Markt. Für die neue Anwendung sind jedoch noch kostspielige klinische Studien erforderlich“, sagt der Immunologe. Hempel, die auf den Wirkstoff Cyclodextrin hingewiesen hat, steht übrigens als Mitautorin in der Veröffentlichung des Fachjournals.