Im Kampf gegen Covid-19 rücken verschiedenste Wirkstoffgruppen in den Fokus. Ein Forscherteam aus Spanien hat nun das Antifibrinolytikum Aprotinin untersucht und festgestellt, dass die inhalative Anwendung die Hospitalisierungsdauer bei Covid-Patient:innen um rund fünf Tage verkürzen konnte.
Der Wirkstoff Aprotinin ist ein Proteaseinhibitor, welcher das Enzym Plasmin hemmt. Die sogenannte Fibrinolyse – die enzymatische Spaltung des Fibrins – kann dann nur noch verlangsamt ablaufen. Starke Blutungen werden somit gestillt.
Der Wirkstoff war unter dem Namen Trasylol von Bayer zur Behandlung von Blutungen, die auf einer Hyperfibrinolyse beruhen, bis 2007 im Handel. Aufgrund des schlechten Nutzen-Risiko-Verhältnisses musste die Zulassung dann jedoch ruhen. Bayer nahm Trasylol schließlich vom Markt. Seit 2013 darf die Substanz unter strengen Auflagen im Rahmen von Bypass-Operationen verwendet werden. Mittlerweile hat der Hersteller Nordic die Rechte für das Medikament übernommen.
Eine klinische Studie an vier Krankenhäusern in Spanien konnte nun zeigen, dass die Substanz möglicherweise auch bei Covid-19 zum Einsatz kommen könnte. Zuvor hatten Forscher:innen bereits gezeigt, dass das Antifibrinolytikum bestimmte Enzyme hemmen kann, die Sars-CoV-2 zum Eindringen in die menschliche Zelle benötigt. Die Virusvermehrung könnte dadurch reduziert oder sogar gestoppt werden.
Insgesamt wurden für die Untersuchung die Daten von 60 Covid-Patient:innen ausgewertet, die aufgrund einer mittelschweren Pneumonie hospitalisiert wurden. 28 von ihnen erhielten zusätzlich zur Standard-Therapie alle sechs Stunden eine Inhalation mit Aprotinin über eine Dauer von zehn Minuten. Die übrigen 32 inhalierten mit Kochsalzlösung.
Es zeigte sich, dass die Proband:innen der Verumgruppe im Durchschnitt fünf Tage früher aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten. Außerdem benötigten sie seltener eine Sauerstoffgabe. In der Aprotinin-Gruppe musste niemand intensivmedizinisch versorgt werden, auch Todesfälle kamen nicht vor. In der Placebo-Gruppe hingegen verstarben zwei Menschen, ein weiterer Proband musste auf die Intensivstation verlegt werden.
Das Team geht davon aus, dass Aprotinin gleich auf verschiedene Weisen in die Kaskade eingreifen kann: Neben der Hemmung bestimmter Proteine soll die Substanz auch antientzündlich wirken. Ein weiterer Faktor sei die Beeinflussung der Hyperkoagulabilität und Hyperfibrinolyse bei Covid-Patient:innen. Da die Patientengruppe relativ klein war, müssen weitere Studien folgen, um die Daten zu bestätigen. Das Team betrachtet die Ergebnisse jedoch als vielversprechend.
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