Jeder zweite ab 65 Jahren betroffen

AOK-Analyse: Arzneimittel oft ungeeignet

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Berlin -

Noch immer bekommen zahlreiche ältere Menschen in Deutschland potenziell ungeeignete Medikamente verordnet. Mehr als jeder Zweite ab 65 Jahren habe im vergangenen Jahr mindestens ein Arzneimittel bekommen, die wegen möglicher unerwünschter Wechsel- oder Nebenwirkungen auf der Priscus-Liste geführt werde. Das geht aus einer Analyse von Verordnungen an 16,4 Millionen ältere gesetzlich Versicherte hervor, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido) durchgeführt hat. Besonders betroffen sind demnach Frauen.

Ältere Menschen haben oft mehrere chronische Erkrankungen, die parallel behandelt werden. 43 Prozent der Versicherten über 65 seien mit mehr als fünf verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig behandelt worden, hieß es. Somit gilt diese Gruppe als besonders gefährdet für unerwünschte Folgen. Ein Grund ist auch, dass der Körper im Alter Arzneistoffe meist langsamer abbaut. „Zum anderen reagieren ältere Menschen um ein Vielfaches empfindlicher auf Arzneistoffe – insbesondere auf Arzneien, die auf das Nervensystem oder Gehirn wirken“, sagt Frauke Repschläger, Beratungsapothekerin der AOK Rheinland/Hamburg.

Priscus 2.0

Ärztinnen und Ärzte können anhand einer Liste (Priscus 2.0) erkennen, welche Substanzen ein Risikopotenzial haben. Darauf stehen mittlerweile knapp 180 Wirkstoffe, die bei Älteren nicht oder nur mit besonderer Vorsicht angewendet werden sollten. Es geht zum Beispiel um Mittel, die das Sturzrisiko erhöhen, Schwindel bewirken oder die Wahrnehmung beeinträchtigen können. Obwohl sie auf der Liste stehen, werden laut Wido dennoch häufig spezielle Magenschutzpräparate verordnet, aber auch einige Wirkstoffe gegen Schmerzen, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden.

Auch die Dauer und Dosierung sei entscheidend: „Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmittel werden oft zu lange und in zu hoher Dosierung eingesetzt, also ohne den gealterten Körper, etwaige körperliche Veränderungen wie starke Gewichtsveränderungen, aber auch den weiblichen Organismus und Stoffwechsel ausreichend zu berücksichtigen“, so Repschläger.

Problem der Umsetzung

Das Problem ist schon länger bekannt. Nach Wido-Angaben ist der Verordnungsanteil der möglicherweise riskanten Medikamente in den vergangenen zehn Jahren bereits zurückgegangen. Das Wido spricht aber weiter von einem „Umsetzungsproblem“. Zum Beispiel Arbeitshilfen für die ärztliche Praxis und Patienteninformationen sollen zur weiteren Verbesserung beitragen. Manche der gelisteten Wirkstoffe können durch Alternativen ersetzt werden, aber auch Dosisanpassungen und weitere Maßnahmen können helfen.

Dabei bleibe entscheidend „dass eine Medikation nicht im Blindflug erfolge“. „Um das zu vermeiden, braucht es neben weiterer Aufklärung bestenfalls pharmazeutische Expertise in Arztpraxen und Pflegeheimen“, betont Repschläger. An diesem Punkt verspricht sich die AOK Rheinland/Hamburg „sehr viel von der endlich beginnenden Digitalisierung, insbesondere der elektronischen Patientenakte“.

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