Neue Erkenntnisse zum ASS-Wirkmechanismus Dr. Kerstin Neumann, 13.10.2015 08:05 Uhr
Forscher aus den USA und Italien haben neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus von Acetylsalicylsäure (ASS) gesammelt. Demnach geht die Wirkung auf eine Interaktion mit dem High-Mobility Group Protein HMGB1 zurück. Das berichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Molecular Medicine“.
Dabei interagiert ASS nicht selbst mit dem Protein, sondern sein Hauptmetabolit Salicylsäure. Diesem wird aufgrund seiner deutlich längeren Halbwertzeit ohnehin der Löwenanteil der ASS-Wirkungen zugeschrieben. Mit HMGB1 habe man nun eine Struktur entdeckt, mit der der Wirkstoff direkt interagiert.
HMGB1 wird unter anderem von Tumor-, Immun- oder nekrotischen Zellen aus dem Zellkern in den Blutkreislauf freigesetzt. Ein Anstieg der extrazellulären HMGB1-Konzentration kann daher auf ein entzündliches Geschehen im Körper hindeuten. Auch die Genexpression der Cyclooxygenase 2 (COX-2) und anderer Zytokine wird über das Protein gesteuert.
Nach der Entdeckung der pro-inflammatorischen Effekte von HMGB1 habe die Vermutung nahegelegen, dass eine Substanz wie Salicylsäure diese Prozesse unterbinden könnte, so die Forscher. Tatsächlich konnten sie nachweisen, dass das Antirheumatikum an HMGB1 bindet und die Aktivität des Proteins blockiert.
Die Gruppe verspricht sich ein hohes Potential ihrer Entdeckung für die zielgerichtete Entwicklung neuer, potenterer Salicylsäure Derivate. Zwei Kandidaten zeigten in ersten Versuchen eine 50- bis 100-fach bessere inhibitorische Wirkung an HMGB1 als Salicylsäure selbst.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut Insight Health insgesamt 8,4 Millionen Packungen ASS alleine als Schmerzmittel verkauft. Von der Kombination mit Vitamin C gingen weitere 6,2 Millionen Packungen an die Verbraucher. 80 Prozent davon entfielen allein auf den Marktführer Aspirin plus C.
Auch die Dreifachkombination aus ASS, Paracetamol und Coffein erfreut sich großer Beliebtheit. Fast 15 Millionen Packungen von Thomapyrin & Co. wurden 2014 verkauft. Dazu kommt die Selbstmedikation im Bereich der Blutverdünnung; außerdem wurde ASS 6,9 Millionen Mal auf Kassenrezept verordnet.