Antikörpertherapie bei HIV Alexandra Negt, 24.06.2021 14:03 Uhr
Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler eine wirksame Impfung gegen das Humane Immundefizienz-Virus zu finden. Erste Unternehmungen in die Richtung wurden bereits in den 80er Jahren unternommen. Doch auch heute, vierzig Jahre später, gibt es keine zugelassene Impfung. Ärzt:innen sehen vor allem die passive Immunisierung als eine Präventionsmöglichkeit.
Das HI-Virus ist sehr wandelbar. Es ist so anpassungsfähig, dass es sich verdeckt im Körper bewegen kann – das Immunsystem erkennt den Erreger nicht als fremd an.
Aktuell gibt es vier verschiedene HIV-Präventionsstrategien. Neben der bisher nicht effektiven aktiven Immunisierung (Impfung) steht auch die Möglichkeit zur antikörper-vermittelten Immuntherapie bereit. Ähnlich wie die Antikörpertherapie bei Covid-Patient:innen sind die Kosten für diese Therapieform sehr hoch. Wie effektiv die Gabe von Antikörpern genau ist, ist momentan nicht abschließend geklärt. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Infusion den Patienten/die Patientin drei bis sechs Monate vor einer Infektion schützen könnte.
Die weiteren zwei Präventionsstrategien sind weitaus bekannter, besser erforscht und kostengünstiger. Zum einen können Patient:innen auf die sogenannte PEP/PrEP zurückgreifen. Die hier angewendeten Medikamente sind gut verfügbar. Im Rahmen der Langzeiteinnahme müsste abgewogen werden, ob die potenziellen Nebenwirkungen der Nutzen-Risiko-Abwägung standhalten. Als letzte Option gilt der Safer-Sex – also die Verhütung mit einem Kondom.
Antikörpertherapien kommen in den letzten Jahren zahlreich auf den Markt. Doch das Feld der Indikationen ist eher begrenzt. So entfallen knapp die Hälfte aller Zulassungen auf den Bereich der Onkologie. Über ein Drittel der zugelassenen monoklonalen Antikörper können bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises angewendet werden. Vereinzelt hat die EMA auch in den Bereichen Dermatologie (Psoriasis), Neurologie und metabolische Erkrankungen Zulassungsempfehlungen ausgesprochen.
Um eine gute Antikörpertherapie bei HIV zu finden, muss man auf breit neutralisierende Antikörper setzen. Experten gehen davon aus, dass es verschiedene Antikörper sein müssen, die kombiniert gegeben werden. In Tierversuchen konnte bislang gezeigt werden, dass die Gabe eines Single bNAbs (broadly neutralizing anti-HIV-antibodies) nicht so effktiv ist, wie die kombinierte Gabe. Ein Tri- oder Pentamix ist effektiver. Im März 2021 wurde die Studie „Two randomized Trials of Neutralizing Antibody to Prevent HIV-1 Acquisition” im New England Journal of Medicine publiziert.
Im Rahmen des diesjährigen Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin wurde die Studie näher beleuchtet. Solange keine wirksame Impfung zur Verfügung steht, könnte die Gabe von breitneutralisierenden Anti-HIV-Antikörper eine Präventionsstrategie sein. Um eine vollständige Eradikation zu erzielen, benötigt es aus Sicht der Mediziner:innen dennoch eine wirksame Impfung. Dennoch, bNAbs könnten als Hoffnugnsträger für die passive Immunisierung und für die aktive Immunisierung durch Impfungen mit neuen Konzepten angesehen werden.
Um die Therapie für die Betroffenen angenehmer zu machen, werden immer neue Darreichungsformen erprobt. Da die klassischen oralen Einnahmen ein hohes Maß an Disziplin erfordern und unter Umständen zur Stigmatisierung führen können wünschen sich viele Patient:innen andere Galeniken. Eine neue Möglichkeit ist die Injektion. ViiV hat mit Vocabria eine Injektionssuspension auf den Markt gebracht, die nur alle zwei Monate injiziert werden muss. Enthalten sind 600 mg Cabotegravir, hierbei handelt es sich um einen HIV-Integrase-Inhibitor. Es wird in Kombination mit Rilpivirin (Edurant, Janssen) zur Behandlung von HIV eingesetzt.