Antiepileptika verzögern Sprachentwicklung beim Kind APOTHEKE ADHOC, 17.07.2019 08:05 Uhr
Die Einnahme von Antiepileptika wie Valproinsäure oder Carbamazepin kann die Sprachentwicklung beim ungeborenen Kind verzögern. Hinweise darauf liefert eine norwegische Kohortenstudie, deren Ergebnisse beim European Academy of Neurology Congress in Oslo vorgestellt wurden.
In der durchgeführten Studie wurden sowohl Valproinsäure wie auch Carbamazepin untersucht. Bisher galt Carbamazepin als die risikoärmere Behandlungsoption für Schwangere. Valproathaltige Arzneimittel sind in Deutschland in der Schwangerschaft kontraindiziert und dürfen nur eingenommen werden, wenn es keine Alternative gibt.
Die Studienpopulation bestand aus 346 Kindern, welche im Mutterleib Antiepileptika ausgesetzt waren, 388 Kindern, deren Mütter zwar an Epilepsie litten, die aber im Mutterleib nicht mit Antiepileptika in Kontakt kamen und 113.674 Kindern, deren Mütter nicht an Epilepsie erkrankt waren. Die Konzentrationen der Antiepileptika wurden in den Schwangerschaftswochen 17 bis 19 im Blut der Mutter und unmittelbar nach der Geburt in der Nabelschnur gemessen. Als die Kinder zwischen fünf und acht Jahre alt waren, füllten die Mütter Fragebögen zu den sprachlichen Fähigkeiten ihrer Kinder aus.
Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Antiepileptika eingenommen hatten, ein erhöhtes Risiko für sprachliche Beeinträchtigungen aufwiesen: Das Risiko für Sprachstörungen bei Achtjährigen war nahezu verdoppelt. Kinder, die einer Carbamazepintherapie ausgesetzt waren, zeigten im Alter von acht Jahren ein signifikant erhöhtes Risiko für Sprachstörungen im Vergleich zu Kindern der Kontrollgruppe. Höhere Plasmakonzentrationen an Valproat zeigten sprachliche Verzögerungen im Alter von fünf Jahren. Die Einnahme von Folsäure konnte das Risiko für eine Sprachverzögerung offenbar senken: Kinder, deren Mütter ein Folsäurepräparat eingenommen hatten, hatten in beiden Altersstufen ein geringeres Risiko für eine Verzögerung der sprachlichen Entwicklung.
Valproinsäure beeinflusst die Erregungsfähigkeit neuronaler Strukturen: Sie blockiert die Weiterleitungsfähigkeit von Nerven, indem sie den Einstrom von Natrium und Calcium in die Kanäle zur Reizübertragung blockiert. Zusätzlich erhöht Valproinsäure die Konzentration des Neurotransmitters Gammaaminobuttersäure (GABA), welcher eine zentral dämpfende Wirkung aufweist. Carbamazepin wirkt ähnlich wie Phenytoin: Es hemmt die synaptische Übertragung, der genaue Wirkmechanismus ist unbekannt. Man geht jedoch davon aus, dass der Einstrom von Natriumionen in Nervenzellen blockiert wird und so die übermäßig stark erregten Nervenzellen beruhigt und wiederholte elektrische Entladungen vermindert werden.
Vor kurzem gerieten auch Benzodiazepine während der Schwangerschaft ins Visier: Eine Fall-Kontroll-Studie der Universität Montreal zeigte Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Benzodiazepinen und einem erhöhten Fehlgeburtsrisiko: Dies gilt sowohl für kurz- als auch langwirksame Substanzen. 1,4 Prozent der Frauen, bei denen es zu einer Fehlgeburt kam, hatten vorher mindestens eine Benzodiazepin-Verordnung erhalten. In der Kontrollgruppe waren es nur 0,6 Prozent. Das Risiko für eine Fehlgeburt unter Benzodiazepinen ist demnach doppelt so hoch.
Obwohl die Benzodiazepin-Anwenderinnen etwas häufiger auch andere Risikofaktoren für eine Fehlgeburt wie Hypertonie, Asthma oder ein höheres Alter hatten, scheint das Risiko offensichtlich: Der Zusammenhang war sowohl für kurzwirksame als auch für lang langwirksame Benzodiazepine nachweisbar. Am stärksten war das Risiko einer Fehlgeburt unter Diazepam, Temazepam und Bromazepam. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung in epidemiologischen Studien spricht ebenfalls für eine Kausalität: Mit steigender Dosis nahm das Auftreten zu.