Valproat: EMA prüft schon wieder Nadine Tröbitscher, 16.03.2017 12:13 Uhr
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat eine neue Risikobewertung zur Anwendung von Valproat in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter gestartet. Das Verfahren geht auf ein Ersuchen der französischen Arzneimittelagentur (ANSM) zurück. Bereits 2014 waren schärfere Warnhinweise und Beschränken beschlossen worden.
2014 war die EMA nach der Auswertung von Studien zu dem Schluss gekommen, dass es unter Behandlung mit Valporat viermal häufiger zu fetalen Missbildungen kommen kann: Kinder, deren Mütter Valproat in der Schwangerschaft eingenommen hatten, zeigten kognitive, sprachliche sowie körperliche Entwicklungsstörungen. Auch das Vorkommen autistischer Störungen ist demnach unter Valproat erhöht.
Die vor drei Jahren festgelegten Maßnahmen sollten sicherstellen, dass Frauen, die nicht mit anderen Wirkstoffen behandelt werden konnten, über die Gefahren unter Valproat aufgeklärt werden. In der Schwangerschaft gilt für Valproat eine Kontraindikation. Die erneute Überprüfung soll Klarheit darüber geben, ob weitere Anwendungsbeschränkungen auf Grund der bekannten Risiken folgen müssen.
In Frankreich war der Wirkstoff zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil Ärzte ihn offenbar großzügig verordneten. Einem Untersuchungsbericht zufolge soll das Valproat-haltige Altoriginal Depakine (Sanofi) zwischen 2007 und 2014 an rund 14.000 Schwangere verschrieben worden sein. Laut der Untersuchung sollen diese Frauen 8700 Kinder zur Welt gebracht haben. Die Opfer sollen aus einem Fonds entschädigt werden, der zunächst mit zehn Millionen Euro ausgestattet ist. Anders in Deutschland: Erst vor einigen Wochen gab die Bundesregierung Entwarnung; einen Skandal wie in Frankreich gebe es hierzulande nicht.
Einige EU-Mitgliedsstaaten haben seitdem weiterführende Untersuchungen zur Wirksamkeit auf nationaler Ebene durchgeführt. Daraus entstanden Bedenken, ob die Maßnahmen ausreichend oder weitere Vorgaben erforderlich sind, um mögliche Risiken für junge Frauen und Schwangere zu minimieren.
Die EMA kommt dem Ersuch der ANSM nach und wird vom Pharmakovigilanz-Risikobewertungsausschuss (PRAC) eine erneute Überprüfung durchführen lassen. Der Ausschuss ist für die Bewertung von Sicherheitsfragen zu Humanarzneimitteln zuständig. Die Empfehlungen werden dann an die Koordinierungsgruppe für die gegenseitige Anerkennung und dezentralen Verfahren (CMHD) weitergeleitet. Das Gremium entscheidet dann über die Verfahren innerhalb der gesamten EU.
Valproat-haltige Arzneimittel werden zur Behandlung von Epilepsie, bipolaren Störungen und in einigen EU-Mitgliedsstaaten auch zur Therapie von Migräne eingesetzt. Valproinäure ist ein Antiepileptikum, dem eine Erhöhung der GABA-vermittelten Inhibition zugesprochen wird. Die Wirkung kommt durch einen präsynaptischen Effekt auf den GABA-Metabolismus zustande. Zusätzlich wird eine postsynaptische Wirkung auf die Ionenkanälchen der neuronalen Membran angenommen.