Antiemetika

MCP-Tropfen warten auf die Arztsoftware Alexander Müller, 17.09.2015 15:08 Uhr

Berlin - 

Ratiopharm und die Schwesterfirma AbZ haben als erste ein Comeback von MCP (Metoclopramid) in Angriff genommen: Seit August gibt es die neuen Tropfen mit einer Konzentration von 1 mg/ml in den Apotheken. Das Produkt nimmt allmählich Fahrt auf – wenngleich auf deutlichem niedrigerem Niveau.

Im April 2014 mussten alle MCP-Tropfen mit der damals gängigen Konzentration von 4 mg/ml vom Markt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte die Zulassung der Präparate widerrufen. Hintergrund war eine Entscheidung der EU-Kommission, wonach alle Lösungen mit mehr als 1mg/ml Wirkstoff wegen potenzieller Risiken außer Handel genommen werden sollten.

In Deutschland waren Abbott (Paspertin) und Dolorgiet (Gastronerton) sowie die Generika von 1A/Hexal/Sandoz, Ratiopharm/AbZ und Betapharm von dem Rückruf betroffen. Seitdem gab es MCP nur noch in Tablettenform oder als Rezeptursubstanz.

Obwohl sich die Entscheidung der EU lange abgezeichnet hatte, hatten die Hersteller zunächst keinen Ersatz in Tropfenform parat. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis Ratiopharm für einen Nachfolger sorgen konnte und eine Lösung mit der jetzt zulässigen Höchstdosierung von 1mg/ml auf den Markt gebracht hat. Die anderen Hersteller warten noch auf die Freigabe.

Nach den ersten Wochen zeigt sich, dass es noch immer einen Markt für MCP-Tropfen gibt, das Präparat aber kaum zu alter Stärke zurückfinden wird: Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens IMS Health verkauft der Hersteller pro Woche rund 6000 Packungen. Hochgerechnet läge MCP derzeit bei 288.000 Verordnungen pro Jahr. Zum Vergleich: Vor dem Rückruf wurden die Tropfen jährlich 5,7 Millionen Mal auf Kassenrezept verordnet.

Dass der Start nach der langen Pause und mit der reduzierten Wirkstärke schwierig werden würde, war zu erwarten. Bei Ratiopharm ist man dennoch zuversichtlich: Die Kurve steige von Woche zu Woche deutlich an, heißt es aus Ulm.

Einen weiteren Schub verspricht sich die Teva-Tochter ab Oktober. Denn erst zum vierten Quartal werden die MCP-Tropfen auch wieder in der Praxissoftware der Ärzte gelistet sein. Weil die Verordnungszahlen dann voraussichtlich anziehen werden, sind die aktuellen Werte laut Ratiopharm noch nicht sonderlich aussagekräftig.

Der Wirkstoff war in Deutschland zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen wie etwa nach Chemotherapie und bei Migräne zugelassen. Indikationen und Therapiedauer wurden mit dem Comeback geändert, da mit dem Widerruf der Zulassung ein großer Teil der Anwendungsgebiete entfallen war: Sämtliche Indikationen für chronische Beschwerden wurden gestrichen. Die MCP-Lösung 1 mg/ml ist bei Erwachsenen nun zur Vorbeugung von und nach Chemotherapie verzögert auftretender Übelkeit und verzögert auftretendem Erbrechen zugelassen, ebenso zur Vorbeugung dieser Symptome, die durch Strahlentherapie oder akute Migräne verursacht werden.

Die Präparate von Ratiopharm und AbZ sind in den Packungsgrößen 30 und 100 ml erhältlich. Die maximale Dosierung für Erwachsene beträgt jetzt 30 mg täglich bei einer Therapiedauer von maximal fünf Tagen. Bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 1 bis 18 Jahren sollen ebenfalls Folgen einer Chemotherapie begleitend behandelt werden.

Ratiopharm und AbZ hatten sich vom BfArM eine Zulassung aus Luxemburg anerkennen lassen und waren damit schneller als die Konkurrenz. Bislang ist keiner der früheren Anbietern nachgezogen. Doch das dürfte eine Frage der Zeit sein: Im März lagen dem BfArM insgesamt sechs Zulassungsanträge vor.

Professor Dr. Daniel Grandt, Vorstandsmitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) werden MCP-Tropfen nicht mehr die gleiche Schlagkraft entwickeln wie vor dem Rückruf: „Ein wesentlicher Teil des Einsatzgebietes von MCP wurde grundsätzlich von der EMA ausgeschlossen“, sagt Grandt.

MCP dürfe etwa nicht mehr bei gastrointestinalen Motilitätsstörungen, Dyspepsie oder bei Kindern unter ein Jahr eingesetzt werden, so Grandt. „Bei den übrigen Indikationen sprechen wir von nur einem kleinen Einsatzbereich“, so der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Klinikum Saarbrücken. Ein „Revival“ von MCP sei daher nicht zu erwarten.

Andererseits war die Nachfrage auch nach dem Rückruf weiterhin so hoch, dass in einigen Apotheken offenbar Restbestände abgegeben wurden. Nach Zahlen von IMS Health gingen beispielsweise im Mai 2014 insgesamt noch 5600 Packungen über den HV-Tisch – trotz widerrufener Zulassung.

Die Kassen retaxierten die Apotheken in diesen Fällen auf Null, einige schon am Folgetag des Rückrufs. Laut einem Sprecher der DAK Gesundheit wurden „noch bis Juni MCP-Tropfen abgerechnet und entsprechend retaxiert“.