Bakteriophagen sind Viren, die ständig in unserer Umwelt präsent sind. Allein auf und im Menschen befinden sich etwa 300 Billionen Phagen. Diese sind spezialisiert auf Bakterien, nutzen sie als Wirtszelle, vermehren sich in ihnen und zerstören sie anschließend. Mediziner:innen setzen diese Eigenschaften schon länger in verschiedenen Therapien ein. Demnächst sollen spezialisierte Phagen gegen gefürchtete Krankenhauskeime eingesetzt werden.
Phagen kommen prinzipiell überall dort vor, wo passende Bakterien zu finden sind. Recht umweltstabil tragen sie wesentlich zur Regulation der globalen bakteriellen Masse bei. Phagen sind die häufigste lebendige Daseinsform in der Biosphäre, haben aber keinen eigenen Stoffwechsel. Man unterteilt Phagen in zwei verschiedene Haupttypen:
Selten überschreiten Phagen Artgrenzen, da sie spezifisch immer nur Stämme einer Bakterienart befallen. Bakteriophagen setzen in Bakterien Vermehrungsprogramme in Gang, bis die Masse neu produzierter Viren die Zelle zum Platzen bringt.
Während Antibiotika eher wie eine Massenvernichtungswaffe funktionieren, indem sie alle Bakterien angreifen, sind Phagen spezialisiert auf eine ganz bestimmte Bakterienart. Das macht die Nutzung kompliziert: Für die jeweiligen Bakterienstämme eines Patienten muss zunächst der passende Phage gefunden werden. „Und meist spielt bei einer kritischen Infektion mehr als ein Stamm eine Rolle“, erklärt Professor Holger Ziehr, Leiter der Pharmazeutischen Biotechnologie am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM).
Passende Phagen, um einen bestimmten Erreger zu bekämpfen befinden sich oft im Abwasser. Forscher:innen züchten zunächst die Bakterien auf Nährplatten, gegen die man Phagen einsetzen möchte. Auf diese Ansammlung wird die Wasserprobe gegeben. Ist ein Phage dabei, der die Bakterien abtötet, entsteht ein Loch im Bakterienrasen. Anschließend kann der passende Phage isoliert und im Labor vermehrt werden. Der hohe Aufwand steht der einfachen Anwendung eines vorhandenen Antibiotikums wirtschaftlich gesehen nach. Die steigenden Antibiotika-Resistenzen indizieren jedoch eine Revolution der herkömmlichen Therapien.
Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit der lytischen Bakteriophagen-Therapie sind Bakteriophagen nur in wenigen Ländern als Arzneimittel zugelassen: Russland, Georgien, Kasachstan und der Slowakei. In Deutschland ist die Bakteriophagen-Anwendung nur als letztmögliche Therapie erlaubt. Einzelne Patient:innen, bei denen die verfügbaren zugelassenen Therapien keine Wirkung zeigen, werden jedoch bereits behandelt. Zum Beispiel von Professor Christian Kühn, Leiter des Nationalen Phagenzentrums der Medizinischen Hochschule Hannover. „Ich sehe tagtäglich, was Antibiotika-Resistenzen anrichten“, betont der Mediziner. „Wir brauchen Alternativen.“ Mehr als 30 Patient:innen wurden in Hannover gegen Staphylococcus aureus, ein Bakterium, das hartnäckige Wundinfektionen verursachen kann, behandelt.
Expert:innen betonen, trotz der guten Studienergebnisse werden Bakteriophagen die Antibiotikatherapie nicht ersetzen. Eine Kombination beider Mittel wäre vielversprechender. Laut dem Berliner Phagenforscher Christian Willy habe sich gezeigt, dass resistente Bakterien bei einem Patienten wieder empfindsam gegen Antibiotika werden können, wenn dieser zuvor mit Phagen behandelt wurde.
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