Antibiotika: Wie lange einnehmen? Deniz Cicek-Görkem, 05.08.2017 08:10 Uhr
Antibiotikaresistenzen sind ein zunehmendes Problem der öffentlichen Gesundheit, denn diese sind Grund für den Tod von etwa 25.000 Menschen jährlich. Unter anderem spielt für diese Mechanismen die Einnahmedauer der Präparate eine Rolle. Bislang hieß es immer, dass die Tabletten im Rahmen einer antibiotischen Therapie bis zum Ende genommen werden müssen. Britische Wissenschaftler widerlegen dies und fordern einen Paradigmenwechsel.
Ein frühzeitiges Therapieende förderte nach bisherigem Verständnis die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen. Die im „British Medical Journal“ veröffentlichte wissenschaftliche Analyse hebt hervor, dass diese Aussage nicht evident ist. Professor Dr. Martin Llewelyn vom Brighton and Sussex Medical School teilt in Zusammenarbeit mit weiteren britischen Kollegen mit, dass eine über die notwendige Therapiedauer hinaus gehende Einnahme von Antibiotika dagegen diese Resistenzen forcierte. Sie fordern Politiker und Ärzte auf, den bisherigen Standpunkt zu hinterfragen. Zudem stellen sie fest, dass es bei den meisten Indikationen keine Studien zur minimalen effektiven Therapiedauer gibt.
Die Forscher zeigen zwei verschiedene Selektionsmöglichkeiten auf: Zum einen gebe es die „target selection“, die humanpathogene Erreger wie Mycobacterien, Gonokokken oder Salmonellen bevorzugen. Mutationen können bei derartigen Bakterien während oder nach der Antibiotika-Therapie auftreten. Die Resistenzbildung stehe so in unmittelbarem Zusammenhang mit einer erregerspezifischen Medikation.
Der Großteil der Resistenzen sei allerdings auf die „collateral selection“ zurückzuführen. Diesen Weg bestreiten fakultativ pathogene Keime, die bei Gesunden weit verbreitet sind und in erster Linie keine Erkrankung hervorrufen. Dazu zählen beispielsweise E.coli-Bakterien, aber auch Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und Enterobacter. Resistenzen bei diesen Keimen treten den Studienautoren zufolge während einer Antibiotika-Therapie anderer Infektionen auf.
Nach einer langen Antibiose verbleiben hauptsächlich resistente Bakterien, dies kann für die Patienten gefährlich werden. Die Wissenschaftler fordern ein Umdenken, allerdings können derzeit auch keine alternativen Empfehlungen für die Therapie mit antibiotischen Substanzen gegeben werden. Weitere Untersuchungen seien dringend notwendig, um den Patienten einfache Ratschläge im Umgang mit Antibiotika zu geben und den Stand der Wissenschaft weiterzuentwickeln.
Bakterielle Infektionen beginnen gewöhnlich, wenn eine kleine Anzahl an Bakterien die Hohheit über den menschlichen Körper gewinnt und sich vermehrt. Antibiotikaresistenzen sind nicht monokausal zu begründen. Zum Beispiel können während der Replikation genetische Mutationen auftreten oder auch Resistenzgene induziert werden. Weiterhin ist möglich, dass Multiresistenzpumpen den Influx hemmen und den Eflux von Antibiotika durch die Bakterienmembran steigern.
Auch ein inadäquates Dosierungsschema ist für die Ausbildung einer Resistenz von besonderer Bedeutung. Wenn das Antibiotikum schneller abgesetzt wird als empfohlen, kann die Wirksamkeit unzureichend sein. Die Erreger werden daher nicht in dem geforderten Maße abgetötet. Folgen können eine ausbleibende schnelle Genesung sein oder es können sogar neue Infektionen hinzukommen. Patienten sollten die Einnahmedauer nicht nach Eigenregie festlegen. Zudem ist die notwendige Evidenz für die jeweilige optimale Therapiedauer nicht bei allen Indikationen gegeben. Der Arzt kann anhand des Gesundheitszustands entscheiden, ob ein frühzeitiges Absetzen der Medikation sinnvoll erscheint.