Personalisierte Medizin

Biosensoren messen Antibiotika-Dosis

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Berlin -

Wissenschaftler der Universität Freiburg haben ein Verfahren entwickelt zur Dosisfindung bestimmter Antibiotika. Mit einem neuen Biosensor lassen sich die Eliminationsgeschwindigkeit des Arzneistoffs im Körper und dadurch die individuelle Menge für den Patienten bestimmen.

Während in der Krebsmedizin auf persönliche Voraussetzungen eingegangen wird, bekommen die meisten anderen Patienten eine Standarddosis, unabhängig von Gesundheitszustand, Stoffwechselfunktion oder weiteren individuellen Faktoren. Bei Antibiotika kann eine inadäquate Dosierung nicht nur die Wirksamkeit beeinträchtigen, sondern auch das Aufkommen von antimikrobiellen Resistenz fördern. Daher sehen die Forscher in der neuen Analytik einen Ansatz, um längerfristig die Prävalenz von Multiresistenzen zu reduzieren.

Das Team um Mikrosystemtechniker Dr. Can Dincer hat in einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit mit neun Forschern unterschiedlicher Fachrichtungen der Albert-Ludwigs-Universität eine bioanalytische Methode entwickelt, mit dem die Klasse der ß-Lactam-Antibiotika im Humanblut nachgewiesen werden kann. „So können wir einfach bestimmen, wie schnell der Körper eines Menschen den Wirkstoff abbaut“, erläutert Dincer.

Dazu wurden klinischen Messwerte von zwei Patienten generiert, die während eines operativen Eingriffs eine intravenöse Infusion eines Antibiotikums im Sinne einer chirurgischen Prophylaxe erhielten. Patient 1 war weiblich, wog 60 kg und bekam 1,5 g Cefuroxim. Patient 2 war männlich und hatte ein Körpergewicht von 110 kg. Er bekam 2,0 g Cefazolin infundiert. Zu vier verschiedenen Zeitpunkten wurden Blutproben entnommen, um die persönliche Pharmakokinetik von beiden Patienten zu beobachten. Zusätzlich wurde eine weitere menschliche Blutprobe, die zu Forschungszwecken zur Verfügung stand, mit Piperacillin versetzt und analysiert.

Als Referenzwert und Positivkontrolle für das bioanalytische Verfahren dienten Blutproben der Patienten, die kurz vor Beginn der Infusion entnommen wurden. Anhand der Blutwerte konnten die Forscher pharmakokinetische Parameter wie Verteilungsvolumen, Halbwertszeit und Clearance berechnen. Da das Ergebnis innerhalb einer Stunde ausgewertet werden könne, sei das Verfahren „perfekt“ mit dem therapeutischen Drug-Monitoring vereinbar. Auch sei beispielsweise eine schnelle Therapieumstellung möglich.

Das bioanalytische System kombiniert einen mikrofluiden Chip mit einem natürlich auftretenden Penicillin-Bindungsprotein. Um die einzelnen Werte zu erhalten, wurde nach der Zentrifugation des Blutes 1 μl des Plasmas mit einer Ampicillin-Biotin-Konjugat-Lösung verdünnt. Im Anschluss wurde das Essay in dem Enzymkonjugat Avidin-GOx inkubiert.

Avidin ist ein Glykoprotein, das Biotin binden kann. GOx steht für Glucoseoxidase, das Enzym produziert unter Elektronenabgabe Wasserstoffperoxid. Die frei werdenden Elektronen werden elektrochemisch detektiert. Je mehr vom Analyt in der Probe ist, desto weniger Konjugat kann an dem PBP3-Rezeptor binden. Folglich ist die Signalstärke umgekehrt proportional zur Analytkonzentration.

„Wir haben die Anwendbarkeit unseres Systems für eine personalisierte Antibiotikatherapie nachgewiesen, indem wir bei zwei Patienten, die während einer Operation mit ß-Lactam-Antibiotika behandelt wurden, den Abbau des Medikaments im Körper vor Ort gemessen haben“, sagt Dincer. „Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wollen wir als nächsten Schritt mit einer Kohortenstudie die Nützlichkeit einer personalisierten Antibiotikatherapie quantitativ bewerten.“

Im vergangenen Jahr hatten die Wissenschaftler eine Biosensor-Technologie präsentiert, mit der man gleichzeitig und schnell Tetrazykline und Streptogramine im Humanblut nachweisen kann. Die aktuelle Studie, die im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht wurde, zeigt die Weiterentwicklung des Systems.

Mithilfe des eingesetzten Sensor-Protein von Streptococcus pneumoniae wird nun eine Quantifizierung aller ß-Lactam-Antibiotika möglich gemacht. „Weitere Substanzklassen sind möglich, man müsste nur die Erkennungsbiomoleküle für die jeweiligen Anwendungen anpassen“, sagt Dincer. Das Ziel sei es, weitere Parameter wie Nierenwerte oder Entzündungsmarker in das System hinzuzufügen, um den Zeitpunkt des Therapieendes konkret zu bestimmen.

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