Antibiotika: Dosis und Intervall entscheidend APOTHEKE ADHOC, 05.08.2019 13:44 Uhr
Die Nieren sind neben der Leber das wichtigste Ausscheidungsorgan, wenn es um Arzneistoffe geht. Muss unter einer Niereninsuffizienz eine Antibiotikabehandlung erfolgen, gibt es bei der Auswahl einiges zu beachten. Mediziner der Universitätsklinik Heidelberg haben daher Standarddosierungen und Besonderheiten der wichtigsten Antibiotika abhängig vom Stadium der chronischen Niereninsuffizienz zusammengefasst.
Eine Einschränkung der Nierenfunktion kann dazu beitragen, dass verschiedene Arzneistoffe schlechter ausgeschieden werden. Dadurch kann es zu einer Anreicherung der Substanzen im Körper kommen, welche Probleme mit sich bringt. Im schlimmsten Fall kann die Ansammlung ein toxisches Ausmaß annehmen und mit gefährlichen Auswirkungen, wie einem akuten Nierenversagen, einhergehen. Einige Dosierungen – sowohl Akut- wie auch Dauermedikationen – müssen an die bestehende Nierenfunktion angepasst werden. Häufig werden Dauermedikationen von der Einzel- und Tagesdosis herabgesetzt oder die Einnahmeintervalle verlängert. Statt täglich, werden manche Medikamente beispielsweise nur noch alle zwei Tage eingenommen. Die Ermittlung der Nierenfunktion erfolgt durch die Messung des Serumkreatininwertes. Dieser gibt Hinweise über die sogenannte „glomeruläre Filtrationsrate“ (GFR): Je tiefer die GFR, desto höher ist die Notwendigkeit einer Dosisanpassung.
Brauchen Patienten mit Niereninsuffizienz eine Antibiotika-Behandlung, gibt es somit auch hier einiges zu beachten: Bei der Wahl des passenden Wirkstoffs müssen selbstverständlich Resistenzentwicklungen und Antibiogramme berücksichtigt werden. Dennoch gilt es die Risiken und die entsprechende Dosis nach Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung der Nieren zu beachten. Mediziner der Universitätsklinik Heidelberg haben daher Standarddosierungen und Besonderheiten der wichtigsten Antibiotika abhängig vom Stadium der chronischen Niereninsuffizienz zusammengefasst.
Die Mediziner empfehlen, nicht-nephrotoxische Antibiotika mit großer therapeutischer Breite zu wählen. Besondere Vorsicht ist bei Medikamenten wie beispielsweise Aminoglykosiden geboten, denn diese könnten eine bestehende Nierenfunktionsstörung weiter verschlechtern. Neben direkt schädigenden Antibiotika gibt es auch sekundär nierenschädigende Substanzen: Diese schädigen vor allem über allergisch bedingte Mechanismen die Nierenfunktion. Ebenso müssen unerwünschte Nebenwirkungen mit Effekten auf die Nieren und Halbwertszeiten der Wirkstoffe beachtet werden: Unter der Therapie mit Cotrimoxazol kommt es beispielsweise häufig zu Hyperkaliämien, bei Vancomycin und Aminoglykosiden sind dosisbegleitende Talspiegelbestimmungen emfpohlen. Dennoch kann bei dringlicher Indikation und Fehlen von Alternativen so gut wie jedes Antibiotikum auch bei Niereninsuffizienz angewendet werden.
Die Einstiegsdosierung ist meist unabhängig von der Nierenfunktion immer identisch mit der Standarddosierung. Eine Ausnahme stellen die bereits erwähnten Aminoglykoside bei hochgradiger Niereninsuffizienz dar. Die darauffolgende Erhaltungsdosis der Wirkstoffe richtet sich dann nach der individuellen Nierenfunktion und Wirkweise der entsprechenden Substanzen. Beta-Lactam-Antibiotika, zu denen Cephalosporine wie Cefuroxim und Cefaclor und Penicilline wie Amoxicillin, Ampicillin und Penicillin V zählen, verfügen im Blut über einen relativ konstanten Spiegel. Daher wird bei den betroffenen Substanzen meist das Dosierungsintervall beibehalten und die jeweilige Einzeldosis in ihrer Stärke reduziert.
Andere Wirkstoffgruppen wie beispielsweise Fluorchinolone bauen einen Spitzenspiegel auf: Bei den Wirkstoffen aus dieser Antibiotikagruppe, zu denen Ciprofloxacin und Levofloxacn gehören, wird empfohlen, das Dosisintervall zu verlängern. Dabei wird die jeweilige Einzeldosis standardmäßig eingehalten. Bei anderen peroralen Antibiotika sind ebenfalls Besonderheiten in Bezug auf eine eingeschränkte Nierenfunktion zu beachten. So muss bei Clindamycin beispielsweise eine Überwachung der Plasmaspiegel bei schwerer Niereninsuffizienz oder Anurie erfolgen. Bei Nitrofurantoin besteht ein erhöhtes Risiko von peripherer Neuropathie und pulmonalen Nebenwirkungen.
Vielen Patienten ist ihre nachlassende Nierenfunktion gar nicht bewusst. Vor allem ältere Personen leiden häufig unter einer beginnenden Niereninsuffizienz. Die Symptome hängen vom Stadium der Erkrankung ab. In vielen Fällen sind sie zunächst recht unspezifisch: Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Leistungsschwäche und Übelkeit können erste Anzeichen sein. Eine fehlende Anpassung der Dosis oder unzureichende Rücksicht bei der Selbstmedikation können dann zu Komplikationen und einer Verschlechterung der Symptomatik führen.