Antibiotika

Alexander Fleming: Wunderwaffe durch Zufall

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Berlin -

Rund 80 Antibiotika gibt es zurzeit, neue Wirkstoffe sind in der Entwicklung. Seit der schottische Bakteriologe Sir Alexander Fleming vor mehr als 80 Jahren mit Penicillin das erste Antibiotikum entdeckt hat, haben die Substanzen die Gesundheitsversorgung revolutioniert. Krankheiten wie Gonorrhö, Syphilis, Meningitis oder Lungenentzündung, aber auch Pocken und Tuberkulose konnten erstmals wirksam bekämpft werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg im Laufe der Zeit um zehn Jahre. Heute ist der 60. Todestag des Revoluzzers Fleming.

Fleming wurde 1881 auf einem Bauernhof in der schottischen Kleinstadt Darvel geboren. Er studierte Medizin an der St. Mary's Hospital Medical School in Paddington. Dort beschäftigte er sich mit den Erkenntnissen des französischen Chemikers und Biologen Louis Pasteur, wonach bestimmte Krankheiten und Infektionen durch mikroskopisch kleine Organismen und Erreger verursacht werden, die sich von den Zellen des befallenen Körpers ernähren.

Nachdem sich Fleming zunächst mit Salvarsan gegen die Syphilis befasst hatte, wandte er sich Staphylokokken zu. 1921 – mittlerweile leitete er das Institut in Paddington stellvertretend – isolierte Fleming das Enzym Lysozym, welches im Eiweiß des Hühnereis sowie in zahlreichen menschlichen Körpersekreten vorkommt und Bakterien zerstören kann.

Im September 1928 stieß er dann zufällig auf einen Schimmelpilz, der die von ihm angelegte Bakterienkultur Staphylococcus Aureus zerstört hatte. In der Umgebung des Pilzes waren keine Bakterien mehr gewachsen. Fleming deutete die Beobachtung richtig: der Pilz hatte eine anibakteriell wirkende Substanz produziert. Er nannte sie Penicillium notatum. 1929 beschrieb er vor dem Londoner Klub für medizinische Forschung die Möglichkeiten des therapeutischen Einsatzes, aber niemand war interessiert, die Entdeckung blieb unbeachtet.

In den 1930er Jahren konzentrierten sich deutsche Forscher auf die gerade entdeckten Sulfonamiden, die gegen die Erreger von Hirnhautentzündung, Gonorrhö und sogar einigen Virenarten wirkten. Jedoch war die Wirksamkeit sehr beschränkt und Nebenwirkungen teilweise schwerwiegend.

Erst 1939 stießen der Pathologe Howard Florey und der Biochemiker Ernst Chain in Oxford auf Flemings Arbeit. Sie isolierten das Antibiotikum erstmals und bewiesen damit seine antibakterielle Wirkung. Der erste dokumentierte Einsatz am Menschen fand 1941 durch den Arzt Charles Fletcher statt, damit war der Weg frei für eine antibiotische Revolution.

Weil die Kriegsverhältnisse in Großbritannien zunächst eine industrielle Massenproduktion verhinderten – die Mittel fehlten –, holte man sich Hilfe aus den Vereinigten Staaten: In Peoria, Illinois, entstand die erste Fabrik, die Penicillin produzierte. Gegen Kriegsende produzierten amerikanische Firmen so viel Penicillin, dass sieben Millionen Patienten jährlich damit behandelt werden konnten. Besonders im Zweiten Weltkrieg galt das Präparat als Wundermittel.

1945 erhielten Fleming, Chain und Florey für die Entdeckung des Penicillins den Nobelpreis für Medizin. Ein Jahr zuvor war Fleming geadelt worden. Ab 1946 leitete er als Direktor die Mary's Hospital Medical School. Von 1928 bis 1948 leitete er an der Londoner Universität den Lehrstuhl für Bakteriologie. Er war außerdem Ehrendoktor von zwölf amerikanischen und europäischen Universitäten, Kommandeur der französischen Ehrenlegion und Ehrendirektor der Universität Edinburgh.

Am 11. März 1955 starb er in London im Alter von 74 Jahren an einem Herzinfarkt. Begraben wurde er in der Londoner Saint Paul’s Cathedral. 2007 wurde sogar ein Asteroid nach ihm benannt, 2013 außerdem die neu gegründete „Berufliche Schule für Gesundheit und Pflege“ in Stuttgart.

Mittlerweile hat das Mittel etwas von seinem „Wunder“ verloren: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor der Nach-Antibiotika-Ära: Bakterielle Infektionskrankheiten könnten künftig wieder mehr Menschen den Tod bringen – wie zu Zeiten vor der Entdeckung von Penicillin. Grund sei eine starke und globale Zunahme der Resistenzen. Das zeigt etwa das Auftreten von neuen Erregern wie SARS. Auch gegen die in Krankenhäusern auftretenden MRSA-Keime sind praktisch keine Antibiotika mehr wirksam. Immer häufiger kommt es zu Infektionen durch resistente Bakterien, bei denen klassische Antibiotika nicht mehr wirken.

Besonders der großflächige Einsatz von Antibiotika in der Schweine- oder Geflügelmast steht seit langem in der Kritik, aber auch der verbreitete Einsatz bei Menschen. In den USA verschenkten Supermärkte zeitweise Amoxicillin, Ampicillin, Bacitracin, Cephalexin, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol, Doxycyclin, Erythromycin, Penicillin V und Tetracyclin. 80 bis 90 Prozent werden im Rahmen der Grundversorgung verordnet, vorwiegend für Atemwegsinfektionen.

Die Entwicklung neuer Antibiotika wurde in den vergangenen 20 Jahren stark vernachlässigt. Investitionen in die Antibiotika-Forschung lohnen sich für Hersteller nicht, sie fordern Anreize. Weil neue Antibiotika, um neue Resistenzen zu vermeiden, nur restriktiv eingesetzt würden, seien besondere Konditionen notwendig.

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