40 Prozent aller Frauen nehmen während der Schwangerschaft Paracetamol – und riskieren damit womöglich, dass ihr Kind später Aufmerksamkeitsstörungen oder autistische Züge entwickelt. Dies ist das Ergebnis einer Kohortenstudie spanischer Forscher.
Die Wissenschaftler um Claudia Avella-Garcia vom Centro de Investigación en Epidemiología Ambiental (CREAL) hatten für ihre Studie 2644 schwangere Frauen rekrutiert und in der 12. sowie 32. Schwangerschaftswoche interviewt. Dabei wurden die Probandinnen befragt, ob sie Paracetamol nie, selten oder häufig anwendeten.
Im Alter von einem Jahr sowie fünf Jahren wurde dann die neuropsychologische Entwicklung der Kinder mit drei verschiedenen Tests untersucht. Fazit: Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft Paracetamol einnahmen, hatten ein höheres Risiko für Hyperaktivität und Impulsivität. Sogenannte Autismus-Spektrum-Störungen mit verzögerter sozialer Entwicklung trat bei Jungen häufiger auf, deren Mütter in der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen hatten.
Die Effekte waren umso ausgeprägter, je häufiger das Schmerzmittel zum Einsatz kam: Am schlechtesten schnitten Kinder von Müttern mit dauerhaftem Paracetamol-Gebrauch bei den standardisierten Tests (CAST, K-CPT, ADHD-DSM-IV) ab.
Die Ergebnisse stehen in Einklang zu früheren statistischen Erhebungen aus Skandinavien; die Forscher weisen aber einschränkend darauf hin, dass ausschließlich Symptome und keine validen ärztlichen Diagnosen zugrunde gelegt wurden. Sie vermuten, dass der Angriff des Wirkstoffs an den Cannabinoid-Rezeptoren die Entwicklung und Verschaltung von Neuronen stören könnte.
Erst im Februar war eine Studie aus Norwegen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Einsatz von Paracetamol während der Schwangerschaft beziehungsweise im frühkindlichen Alter die Entstehung von Asthma begünstigen könnte. Forscher von der Universität Oslo hatten Daten von mehr als 53.000 Kindern aus einer Kohortenstudie ausgewertet. Demnach war das Asthmarisiko im Alter von drei und sieben Jahren erhöht. Beide Studien wurden im International Journal of Epidemiology veröffentlicht.
Vor zwei Jahren hatte eine Übersichtsarbeit von Professor Dr. Kay Brune zu möglichen Risiken von Paracetamol für Schlagzeilen gesorgt. Das unabhängige Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie (Embryotox) kam nach Auswertung der zwei zugrunde liegenden Studien zum Schluss, dass die Ergebnisse nicht ausreichend waren, um eine Indikationseinschränkung für Paracetamol auszusprechen.
So monierten die Experten, dass in einer Studie aus der Gesamtkohorte der Schwangeren nicht einmal ein Sechstel aller Entwicklungsdaten der Kinder bis zu drei Jahren vorlagen. Zudem basierten die Diagnosen allein auf den Befragungen der Eltern, die betroffenen Kinder seien keiner ärztlichen Untersuchung unterzogen worden.
Hinzu komme, dass in den Studien nicht unterschieden worden sei, ob die Schwangeren Paracetamol kontinuierlich über dem besagten Zeitraum von 28 Tagen oder nur sporadisch eingenommen hätten. Auch sei in beiden Studien die eingenommene Dosis nicht erfasst worden. Zudem weisen die Embryotox-Experten darauf hin, dass hyperkinetischen Störungen „multifaktoriellen Ursprungs“ seien und beispielsweise auch andere Faktoren wie etwa Drogenmissbrauch zur Ursache haben könnten.
Paracetamol sollte laut Embryotox weiterhin Arzneimittel der Wahl vor allem im dritten Trimenon bleiben. Allerdings räumten die Experten ein: „Eine 'hundertprozentige Sicherheit' für Paracetamol sei nicht zu garantieren. Sie empfehlen, die etwaigen Risiken Paracetamols weiterhin zu untersuchen, und raten Schwangeren, auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Schmerzmitteln zu achten.
APOTHEKE ADHOC Debatte