Analgetika: Spahn prüft neue Warnhinweise Nadine Tröbitscher, 14.09.2018 09:12 Uhr
Noch nicht einmal richtig in Kraft, soll die Analgetika-Warnhinweis-Verordnung (AnalgetikaWarnHV) schon wieder überarbeitet werden. Dies kündigt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegenüber APOTHEKE ADHOC an. Grund sind die zahlreichen Inkonsistenzen der ersten Fassung, die seit 1. Juli gilt und innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden muss.
Etwa zehn Jahre hat es gedauert, bis sich Politik und Fachkreise auf eine Lösung für Analgetika geeinigt haben. Nachdem sogar eine generelle Rezeptpflicht im Gespräch war, trat vor einigen Wochen die Analgetika-WarnHV in Kraft. Demnach müssen alle neu zugelassen Humanarzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen und Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Paracetamol, Phenazon oder Propyphenazon enthalten und ausschließlich zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen oder von Fieber zugelassen sind, einen Warnhinweis tragen. Eingeschlossen sind sowohl orale als auch rektale Applikationsformen.
Ziel der Maßnahme ist die „Risikobegrenzung bei der Anwendung von OTC-Analgetika“, so das BMG. Denn die nicht-verschreibungspflichtigen Schmerzmittel würden zu oft und zu lange angewendet, was schwerwiegende gesundheitliche Schäden zur Folge haben könne. Der Hinweis: „Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgegeben“, soll die Verbraucher schützen. Doch aufgrund der Formulierung sieht die Verordnung zahlreiche Ausnahmen vor, die – wie sich schon jetzt zeigt – zu Chaos in der Sichtwahl führen werden.
Nachvollziehbar ist bei ASS die Ausnahme für Dosierungen, die zur Blutverdünnung eingesetzt werden. „Die im Hinblick auf den Anwendungsbereich geschaffene Einschränkung sollte sicher stellen, dass die Verordnung keine unnötigen Regelungen im Hinblick auf zum Dauergebrauch zugelassene Arzneimittel, wie zum Beispiel Thrombozytenaggregationshemmer, schafft“, schreibt das BMG. Aber auch unter die Verordnung fallende Wirkstoffe zur Migränebehandlung oder symptomatischen Behandlung von Erkältungskrankheiten müssen keinen Hinweis tragen. Denn laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind Kombinationsarzneimittel zur symptomatischen Behandlung grippaler Infekte wie beispielsweise Boxagrippal (Ibuprofen/Pseudoephedrin, Sanofi) und Wick Daymed Erkältungskapseln (Paracetamol/Phenylpropanol/Dextromethorphan, P&G) nicht betroffen. Denn die Arzneimittel „sind für weitere Indikationen zugelassen und deshalb nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst“. Diese Auslegung der eigenen Behörde will das BMG nicht akzeptieren, denn den Arzneimitteln könne kein geringeres Risiko zugesprochen werden.
„Das Arzneimittel Migräne Kranit sowie Kombinationsmittel zur Therapie von Husten und Erkältungskrankheiten, welche die in der Verordnung genannten Wirkstoffe enthalten, unterliegen derzeit nicht den Regelungen der AnalgetikaWarnHV. Solchen Arzneimitteln ist jedoch, sofern sie die in der Verordnung genannten Wirkstoffe enthalten, vergleichsweise kein geringeres Risiko zuzusprechen. Das Bundesministerium für Gesundheit wird daher eine Anpassung der Verordnung prüfen.“
Wird die AnalgetikaWarnHV angepasst, könnte das Chaos noch rechtzeitig vor dem Ablauf der Übergangsfrist verhindert werden. Denn aktuell sind – je nachdem, wie die Indikation lautet – selbst identisch zusammengesetzte Präparate betroffen oder nicht. Bei großen Marken wie Dolormin, Thomapyrin oder Aspirin gibt es zahlreiche Varianten, die bei unterschiedlichen Beschwerdebildern eingesetzt werden. Aspirin Migräne unterscheidet sich in der Zusammensetzung vom Klassiker nicht, muss aber wegen der Indikation im Beipackzettel nicht mit einem Warnhinweis versehen werden. Dasselbe gilt für Dolormin – auch hier müssen die Varianten gegen Migräne sowie gegen Regelschmerzen nicht deklariert werden, die identisch zusammengesetzten Schwesterprodukte Dolormin extra und Dolormin GS dagegen schon. Thomapyrin intensiv ist ebenfalls ausgenommen, Thomapyrin classic nicht.
Noch verwirrender ist es bei Ibuprofen Ratiopharm: Das Direktgranulat bekommt einen Hinweis, die Tabletten mit Lysinat dagegen wegen einer zusätzlichen Indikation „Migräne“ nicht. Damit ist das Generikum auch im Vergleich zu den Markenprodukten wie Dolormin extra im Vorteil, die identisch zusammengesetzt sind, aber den Warnhinweis tragen müssen. Bei Phenazon greift die Neuregelung gar komplett ins Leere. Einen kompletten Überblick zum Download gibt es im LABOR von APOTHEKE ADHOC.