Paracetamol führt zur Verweiblichung Deniz Cicek-Görkem, 30.06.2017 13:15 Uhr
Paracetamol gilt als Mittel der Wahl zur Behandlung von Schmerzen und Fieber in der Schwangerschaft. Wissenschaftler der Universität Kopenhagen stellten fest, dass die Einnahme des Wirkstoffs bei schwangeren Mäusen zu einer Verminderung männlicher Verhaltensmuster ihrer Nachkommen führt. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal „Reproduction“ veröffentlicht.
Die Maskulinisierung der Genitalien und das Nervensystem männlicher Säugetiere werden während der fetalen Entwicklung und in der frühen postnatalen Phase von Prostaglandinen und Testosteron gesteuert. Es ist erwiesen, dass beide Substanzen von Paracetamol gehemmt werden können. Das Sexualhormon ist bekannt dafür, den männlichen Phänotyp auszubilden. Bei Tieren wurden zudem verhaltensbiologische Wirkungen wie Imponiergehabe, Kampfverhalten sowie Begattungsdrang beobachtet.
„Ein niedriger Testosteronspiegel in der fetalen Entwicklungsphase ist auch von signifikanter Bedeutung für erwachsene Männliche“, sagt Dr. David Møbjerg Kristensen, Korrespondenzautor der Studie und Forscher des Instituts der Biomedizinischen Wissenschaften und der Novo Nordisk Stiftung für Proteinforschung der Universität Kopenhagen. Ein Mangel des Hormons könne zu Fehlbildungen der Hoden führen.
Die dänischen Forscher fanden anhand von Mäusemodellen heraus, dass die intrauterinäre Exposition des nicht-opioiden Analgetikums zu einer verminderten Neuronenanzahl im sexuellen dimorphen Kern (SDN) in der Regio praeoptica (POA) der männlichen Nachkommen führt. Auch der Ausgangsstoff von Paracetamol, Anilin, ergab ähnliche Effekte. Eine Erniedrigung der Neuronen im SDN-POA wird in Verbindung mit einer Reduktion des männlichen Sexualverhaltens gebracht.
Die Mäuse erhielten die Dosierung, die auch bei schwangeren Frauen empfohlen wird. Die Wissenschaftler beobachteten bei den Tieren, die Paracetamol eingenommen hatten, ein weniger aggressives Verhalten. Diese Mäuse hatten Schwierigkeiten sich zu vermehren und verhielten sich wie weibliche Mäuse, wenn es um die territoriale Markierung ging.
Nach der Beobachtung der veränderten Verhaltensmuster untersuchte Professor Dr. Anders Hay-Schmidt vom Institut für Neurowissenschaften und Pharmakologie an der Universität Kopenhagen die spezifischen Effekte eines Testosteronmangels im Gehirn. „Das Areal des Gehirns, das die Sexualfunktion kontrolliert, hatte bei Mäusen, die Paracetamol bekamen, halb so viele Neuronen wie das der Vergleichsgruppe“, sagt Hay-Schmidt. Die Hemmung von Testosteron führe folglich zu einer Verminderung der Aktivität dieses Hirnbereichs um 50 Prozent.
Das Augenmerk der Studie lag auf der Wirkung des Analgetikums auf männliche Merkmale, allerdings werden laut Autoren auch weibliche Mäuse von einer Verwendung des Wirkstoffs in der Schwangerschaft beeinflusst. Wissenschaftler hatten 2016 herausgefunden, dass weibliche Mäuse weniger Eizellen in ihren Eierstöcken hatten, wenn ihre Mütter während der Gravidität Paracetamol bekamen. Dies führte dazu, dass diese Tiere schneller infertil wurden.