Paracetamol zählt neben Acetylsalicylsäure und Ibuprofen zu den meistverkauften Schmerzmitteln in Deutschland. Vor 136 Jahren entdeckt, galt der Wirkstoff 70 Jahre lang als so problematisch, dass er nicht als Arzneimittel eingeführt wurde. Nach der Rehabilitation dauerte es weitere zehn Jahre bis zur Markteinführung in Deutschland. Wiederum 50 Jahre später wurde wegen erneuter Sicherheitsbedenken die Großpackung aus der Sichtwahl entfernt.
Beschrieben wurde Paracetamol erstmals im Jahre 1878 durch den US-Chemiker Harmon Northrop Morse. Bis der Wirkstoff einen festen Platz in nahezu jeder Hausapotheke erhielt, sollte aber noch gut ein dreiviertel Jahrhundert vergehen. Denn der berühmte Pharmakologe Joseph von Mering fand 1893 bei Studien im Auftrag von Bayer heraus, dass Paracetamol Methämoglobinämien verursachen kann. Therapeutisch bedeutsamer blieb daher lange Zeit die verwandte Substanz Phenacetin, die 1888 vom Leverkusener Hersteller eingeführt worden war.
Erst 1948 gelang es US-Wissenschaftlern nachzuweisen, dass die analgetische Wirkung von Phenacetin vollständig auf Paracetamol zurückzuführen ist. Ihrer Meinung nach hatte von Mering für seine Studie verunreinigtes Paracetamol verwendet, weshalb er zu seinen falschen Ergebnissen gekommen war. Die Forscher regten daher an, den Reinstoff herzustellen – um so auch die teils schwerwiegenden Nebenwirkungen von Phenacetin vermeiden zu können.
Die Erfolgsgeschichte von Paracetamol nahm ihren Lauf. 1955 brachte der US-Hersteller McNeil das Wirkstoff unter dem Namen Tylenol auf den Markt. Drei Jahre später kam mit Ben-u-ron (Bene) das erste Paracetamol-Produkt in die deutschen Apotheken.
Paracetamol ist in verschiedenen Darreichungsformen, beispielsweise als Zäpfchen, Kapsel, Tabletten oder Sirup erhältlich. Die Dosierung erfolgt abhängig von Alter und Körpergewicht. Für Erwachsene gilt eine maximale Tagesdosis von 4 Gramm, Kleinkinder sollten maximal 1 Gramm am Tag einnehmen.
Der Wirkmechanismus ist bis heute noch nicht ganz aufgeklärt. Die analgetische Wirkung soll unter anderem auf einer starken Hemmung der Cyclooxygenase-2 und der Prostaglandin-Funktion beruhen. Paracetamol weist eine hohe Bioverfügbarkeit auf, die maximale Wirkkonzentration ist bereits nach einer halben Stunde erreicht. Die Plasmahalbwertzeit beträgt bis zu drei Stunden.
Paracetamol wird in der Leber mit Glucuronsäure und anderen Bausteinen konjugiert und von CYP-Enzymen oxidiert. Dabei entsteht das Zwischenprodukt N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI), das unter dem Verdacht steht, zelltoxisch und karzinogen zu sein. Bei der Gabe therapeutischer Dosen kann NAPQI vollständig über den Urin ausgeschieden werden; steigen die Konzentrationen aber zu stark an, reichert es sich in der Leber an und zerstört die Zellen.
Der Wirkstoff gilt als sehr verträglich, bislang bekannte Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen, Bauchschmerzen oder Bronchospasmen treten sehr selten auf – vorausgesetzt man achtet auf die richtige Dosierung. Deshalb ist Paracetamol auch eines der wenigen Schmerzmittel, die während der gesamten Schwangerschaft und auch bei Kindern unter drei Jahren eingenommen werden können.
Die therapeutische Breite ist allerdings gering: Ab einer Einzeldosis von sechs Gramm ist der Wirkstoff lebertoxisch, ab zehn Gramm sogar tödlich. Paracetamol gilt als das am meisten bei Selbstmordabsichten eingenommene Arzneimittel. 2008 wurde die Großpackung mit 30 Tabletten daher der Verschreibungspflicht unterstellt. Am 1. April 2009 verschwanden die Produkte aus der Sichtwahl: Fertigarzneimittel, die mehr als 10 Gramm Paracetamol pro Packung enthalten, sind seitdem nur noch auf Rezept erhältlich.
Auch in anderen Ländern wurden Konsequenzen aus den vielen Missbrauchsfällen gezogen. In den USA ist seit 2011 der Wirkstoffgehalt pro Einzeldosis auf 325 mg beschränkt, in Schweden wird derzeit diskutiert, orale Arzneiformen wieder der Apothekenpflicht zu unterstellen.
APOTHEKE ADHOC Debatte