„Ein kurzer Draht zum Apotheker wird wichtiger“ Eugenie Ankowitsch, 06.02.2017 09:06 Uhr
In Deutschlands Krankenhäusern werden die meisten Fehler bei der Arzneimitteltherapie gemacht, sagt Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der Gesellschaft für Risiko-Beratung GRB in Detmold. Apotheker könnten erheblich dazu beitragen, die Fehlerquote zu reduzieren.
Falsches Medikament, falsche Dosis, falsche Kombination – mit Arzneimitteln können leicht Fehler passieren. In Krankenhäuser liegen Fehler bei der Arzneimitteltherapie laut Gausmann in der Fehlerstatistik auf Platz 1: „Etwa die Hälfte der Fehler, die in den Critical Incident Reporting-Systemen der Krankenhäusern gemeldet werden, kann dem Bereich Arzneimitteltherapie zugeordnet werden.“
Die Fehlerquellen seien zahlreich und vielfältig: Ein Patient bekomme die Medikation seines Zimmernachbars. Im Dispenser lande eine falsche oder eine Tablette zu viel. Vielleicht habe auch ein überlasteter Arzt eine falsche Dosis verordnet, jemand zwei ähnlich aussehende Packungen vertauscht. Oder zwei Mediziner haben unabhängig voneinander etwas verschrieben, was sich nicht miteinander verträgt. In vielen Krankenhäusern würden Verordnungen nach wie vor handschriftlich ausgestellt – oft unvollständig und unleserlich, so Gausmann.
Dazu kommt: In Kliniken wird die Medikation überwiegend durch Pflegekräfte anhand der Patientenakte zusammengestellt und verteilt. Meistens bereiten die Mitarbeiter im Nachtdienst Tabletten für den ganzen Tag vor. „Die Medikamente werden zu einer Tageszeit gestellt, in der die meisten Menschen am fehleranfälligsten arbeiten, und bei der die Pflegekraft – möglicherweise allein auf der Station – jederzeit von ihrer Aufgabe abgelenkt werden kann“, gibt Gausmann zu bedenken. Der Mangel an qualifiziertem Personal sorge für zusätzliche Fehleranfälligkeit.
Nur selten würden Fehler in der Arzneimitteltherapie einen Schaden verursachen. Die meisten Fehler blieben ohne ernsthafte Folge für die Patienten, sagt Gausmann, dessen Unternehmen – als Teil des kirchlichen Versicherungsmaklers Ecclesia – die Daten der Fehlermeldesysteme von rund 1000 Krankenhäuser in Deutschland auswertet. Viele Fehler würden erst gar nicht auffallen. Auch deshalb könnte die Dunkelziffer weitaus höher liegen.
Ein weiteres Problem: Manche Patienten erhalten bis zu zehn verschiedene Arzneimittel. Die möglichen Wechselwirkungen sind für Ärzte schwer zu überblicken. Doch für Patienten können sie lebensbedrohlich sein. Gausmann empfiehlt daher, auf die pharmazeutische Expertise der Apotheker zurückzugreifen. Denn sie sind es, die sich im Detail mit Arzneimitteln und ihren Wirkungen auskennen. Sie könnte ihre ärztlichen Kollegen bei Visiten und Problemfällen unterstützen und beraten. „Ein kurzer Draht zum Apotheker wird immer wichtiger“, so der Sicherheitsexperte. Vor allem auf den geriatrischen, inneren oder kardiologischen Stationen könnten Pharmazeuten dazu beitragen, die Fehlerquote erheblich zu senken.
Das Problem ist also erkannt, doch substanzielle Veränderungen sind selten. Im Gegensatz zur Anästhesie oder der Geburtsmedizin, wo laut Gausmann schwerwiegende Fehler stark rückläufig sind, liegt die Fehlerquote in der Arzneimitteltherapie seit Jahren auf einem konstant hohem Niveau. Einen Grund sieht der Experte in der Zuständigkeitsverteilung: „Während es beispielsweise in der Anästhesie einen Anästhesisten als Verantwortlichen gibt, befindet sich die Arzneimitteltherapie in Händen Vieler“, gibt er zu bedenken. Will man die Fehlerquote reduzieren, erfordere dies eine interprofessionelle Herangehensweise.