Amphibien

Artensterben durch Ethinylestradiol

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Berlin -

Hormonell aktive Substanzen könnten zum weltweiten Artensterben von Amphibien beitragen. Einige Wirkstoffe, zum Beispiel aus Arzneimitteln, kommen offenbar in so relevanten Konzentrationen in Gewässern vor, dass sie das Hormonsystem der Tiere stören und damit die Geschlechtsentwicklung sogar umkehren und männliche Tiere zu weiblichen machen können.

Forscher vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Wroclaw verglichen bei drei Amphibienarten die Wirkungen von Ethinylestradiol (EE2) auf die Geschlechtsentwicklung. Die in „Scientific Reports“ publizierte Studie zeigt, dass EE2 zur vollständigen Verweiblichung genetischer Männchen führen kann. Ohne molekulare Feststellung des genetischen Geschlechts blieb dies bislang teilweise unbemerkt.

EE2 ist ein synthetisches Estrogen, das in der Umwelt natürlicherweise nicht vorkommt. Da es in Kläranlagen nur unvollständig abgebaut wird, kann es in biologisch relevanten Konzentrationen in die Gewässer gelangen. Der Evolutionsbiologe Dr. Matthias Stöck, Leiter der Studie, sagt: „Amphibien sind solchen Beeinträchtigungen in der Umwelt nahezu ständig ausgesetzt. Nur wenn wir überhaupt in der Lage sind, sie erfassbar zu machen, können wir sie langfristig auch verhindern.”

Die Empfindlichkeit gegenüber hormonell aktiven Substanzen wie EE2 ist nicht bei allen Amphibienarten gleich, so die Hypothese der Wissenschaftler; schließlich haben einige Arten hunderte Millionen Jahre getrennter Evolutionsgeschichte durchlaufen und verschiedene genetische Mechanismen ihrer Geschlechtsbestimmung evolviert. Daher hat das Forscherteam erstmals den Einfluss von EE2 auf die Entwicklung von drei verschiedenen Amphibienarten im gleichen Experiment getestet: Neben der Amphibien-Modellart, dem Afrikanischen Krallenfrosch (Xenopus laevis), wurden auch Kaulquappen des Laubfrosches (Hyla arborea) und der Wechselkröte (Bufo viridis) in Wasser aufgezogen, welches unterschiedliche Konzentrationen von EE2 enthielt, und mit Kontrollgruppen verglichen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass nach der Exposition mit EE2 bei allen drei Amphibienarten eine Geschlechtsumkehr von genetisch männlichen zu weiblichen Tieren auftritt; dabei reicht der Anteil von 15 bis zu 100 Prozent. Die drei Arten reagieren jedoch unterschiedlich empfindlich. „Die Verweiblichung von Populationen kann neben anderen schädigenden Hormonwirkungen zum Aussterben von Amphibienarten beitragen,“ sagt Stöck.

Besonders war bei diesem Forschungsansatz, dass das genetische Geschlecht aller Arten mittels neuster molekularen Methoden festgestellt wurde. Zugleich untersuchten die Forscher die phänotypische Entwicklung der Geschlechtsorgane – also das äußere Erscheinungsbild und das Aussehen der Gewebe unter dem Mikroskop. Erst dieser Vergleich von genetischem und phänotypischem Geschlecht hat es ermöglicht, die Wirkung von EE2 vollständig zu erfassen.

Die Forscher zeigen sich besorgt: EE2 sei auch im Wasserkreislauf enthalten und stelle, zusammen mit anderen estrogenartig wirkenden Stoffen, auch für Menschen eine ernstzunehmende Beeinträchtigung dar.

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