Krankenhauskeime gehören zu den Erregern, die am häufigsten Probleme mit Resistenzen aufweisen. Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland zwischen 400.000 und 600.000 Menschen, von denen jährlich vorsichtig geschätzt 10.000 bis 20.000 sterben. Ein Herzmedikament könnte nun laut neuesten Erkenntnissen ein Lichtblick sein: Die Zellgifte des Darmerregers Clostridium difficile sollen durch Amiodaron gehemmt werden.
Eine Antibiotikatherapie kann das Keimspektrum im Darm durcheinanderbringen. Dadurch können sich bestimmte Erreger wie Clostridium difficile vermehren. Beim gesunden Menschen ist der Keim in einer unproblematischen Anzahl im Darm angesiedelt und hat keinen Krankheitswert. Vermehrt sich dieser aber stark, werden folglich vermehrt Bakteriengifte ausgeschieden. Diese schädigen die Darmwand und können massive Durchfälle mit Bauchkrämpfen und Fieber bis hin zu Darmwandentzündungen auslösen.
Im Rahmen einer Untersuchung von Clostridium difficile kamen die Toxikologen Panagiotis Papatheodorou und Holger Barth zu einem überraschenden Ergebnis: Amiodaron kann bestimmte Zellgifte des Darmerregers hemmen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Gut Microbes“ veröffentlicht.
„Der bakterielle Darmerreger Clostridioides difficile ist ein gefürchteter Krankenhauskeim, der insbesondere dann auftritt, wenn Patienten mit bestimmten Antibiotika behandelt werden“, so Papatheodorou vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde des Ulmer Universitätsklinikums. „Weil diese Antibiotika jedoch viele nützliche Bakterien im Darm abtöten, ist dessen Mikrobiom, also die Gesamtheit der dort lebenden Mikroorganismen, gestört. So kann der Erreger sich im Darm ungehindert vermehren und seine Proteintoxine TcdA und TcdB ausscheiden.“
Diese Toxine dringen in die schützenden Epithelzellen auf der Darmoberfläche ein und schädigen sie. Dies verursacht Erkrankungen wie Antibiotika-assoziierte Diarrhoe oder gar die pseudomembranöse Kolitis, eine lebensbedrohliche Darmentzündung. „Bei schwerstverletzten Trauma-Patienten auf Intensivstationen können diese Toxine zudem zu posttraumatischen Komplikationen führen“, so Papatheodorou.
Ziel der Untersuchung war es, die Zellvergiftung durch C. difficile pharmakologisch zu verhindern: „Der Angriffspunkt, um die Giftstoffe des Bakteriums gezielt zu hemmen, ist ihre Abhängigkeit von Cholesterin in der Zellmembran der Wirtszellen“, so Barth. „Senkt man also den Cholesterin-Spiegel mit Medikamenten ab, gelangen TcdA und TcdB weniger effizient in die Zellen und deren Vergiftung bleibt aus.“
Für die Suche nach geeigneten Wirkstoffen zogen die Forschenden bereits zugelassene Medikamente in Betracht. Kürzere Weiterentwicklungs- und Zulassungszeiten sowie ein geringeres Risiko für unerwünschte Wirkungen sind dabei deutliche Vorteile des sogenannten „Drug Repurposing“, der Erprobung bereits bekannter und lizenzierter Präparate.
Die Medizin-Doktorandin Judith Schumacher untersuchte den Wirkstoff Amiodaron: „Dieses Medikament wird eigentlich als Antiarrhythmikum zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt“, erklärt Schumacher, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde. „Meine Literaturrecherche hatte hervorgebracht, dass es Cholesterin-senkend wirkt. Wir prüften daher, ob eine Vorinkubation mit Amiodaron kultivierte Zellen auch vor einer Vergiftung mit TcdA und TcdB schützen kann.“ Untersuchungsgegenstand waren hierbei kultivierte Säugetier- und Humanzellen.
Mithilfe von Licht- und Fluoreszenzmikroskopie konnten die Wissenschaftler:innen sowohl die Wirkung der C. difficile-Toxine auf kultivierte Zellen und Darmorganoide als auch den Hemmeffekt durch Amiodaron zeigen. „Unsere Grundannahme, dass Amiodaron aufgrund seiner Cholesterin-senkenden Wirkung in Zellen als Hemmstoff für TcdA und TcdB aus C. difficile infrage kommt, konnte dabei bestätigt werden“, so Schumacher. „Die zunehmende Resistenz des Bakteriums gegen Antibiotika macht die Behandlung entsprechender Erkrankungen und posttraumatischer Komplikationen zunehmend schwer. Das Herzmedikament Amiodaron könnte eine Begleittherapie von C. difficile-assoziierten Erkrankungen darstellen, die aber zunächst noch in klinischen Studien untersucht werden muss.“
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