Schleimlöser mit unentdecktem Potenzial

Ambroxol: Hilfreich bei Coronainfektionen?

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Berlin -

Der Schleimlöser Ambroxol zählt zu den Klassikern in der Apotheke. Vor allem bei festsitzendem Schleim in den Atemwegen kommt die Substanz zum Einsatz. In den vergangenen Jahren konnten Studien jedoch Hinweise auf weitere potenzielle Wirkungen geben. Vor allem im Bereich neurologischer Erkrankungen wie Parkinson gibt es erste positive Ergebnisse. Könnten die Wirkungen möglicherweise auch beim aktuellen Coronavirus hilfreich sein?

Bei der Substanz Ambroxol, einem Metaboliten von Bromhexin, der künstlich aus Vasicin – dem Inhaltsstoff des Indischen Lungenkrauts – hergestellt wird, handelt es sich zunächst um einen lokalanästhetischen und schleimlösenden Wirkstoff. Er wird daher vor allem bei akuten Atemwegserkrankungen zur Verflüssigung und Lösung von festsitzendem Sekret, sowie bei Halsschmerzen eingesetzt. Es stehen unter anderem Lutschtabletten, Kapseln und Säfte zur Verfügung.

Vor einigen Jahren konnten Forscher der Universität Ulm erstmals den molekularen Wirkmechanismus für die Schleimlösung nachweisen. Die Substanz stimuliert mithilfe von Calcium die Ausschleusung von Abfallprodukten aus den Zellen. Daraus ergaben sich mögliche neue Therapieansätze, bei denen der Wirkstoff positive Effekte haben kann. Andere klinische Untersuchungen konnten zeigen, dass Ambroxol die Pene­tration in das Bronchialgewebe und somit die Wirkung von Antibiotika verbessern kann.

Ambroxol wirkt den Forschern zufolge wie eine Art „zelluläre Müllabfuhr“: Da Ambroxol einen schwach basischen pH-Wert besitzt, setze er an den sauren Zellorganellen an und neutralisiere so den pH-Wert. Dadurch werde Calcium freigesetzt. Bei der sogenannten „lysosomalen Sekretion“ verschmelzen die Zellorganellen – die auch als Lysosomen bezeichnet werden – mit der Plasmamembran der Zelle. Dadurch wird die Ausscheidung von Zellabfall angestoßen: Lysosomen bauen dann mithilfe von Säure und Enzymen zelluläre Abfallprodukte wie etwa alte oder fehlgebildete Proteine ab. Durch Exozytose werden diese dann aus der Zelle befördert.

Zwar gibt es diesbezüglich noch keine Ergebnisse, der beschriebene Abtransport von Abfallstoffen könnte möglicherweise jedoch auch beim aktuellen Coronavirus eine Rolle spielen: Denn neben den Symptomen steht bei den Erkrankten vor allem die Verstopfung der Lunge durch abgestorbenes Gewebe im Fokus. Im Gegensatz zu herkömmlichen Erkältungsviren sorgen Coronaviren dafür, dass das Immunsystem verrücktspielt und dabei Organe im Körper geschädigt werden. Aufgrund der Ähnlichkeit zum SARS-Virus wird vermutet, dass Covid-19 durch die überschießende Immunreaktion das Lungengewebe zerstört.

In einem Beitrag von National Geographic erklärt Matthew B. Frieman, Professor der University of Maryland School of Medicine wie die Erkrankung ablaufen kann: Das Virus dringe vor allem in die Zellen der Flimmerhärchen ein. Dadurch sterben diese ab und verbleiben leblos in der Lunge, welche sich zunehmend mit Flüssigkeit und Fremdstoffen füllt. Der Experte kann sich vorstellen, dass beim neuartigen Coronavirus ähnliches passiert.

Das zusätzliche tote Zellmaterial verstopfe das Lungengewebe und verschlimmere somit die bestehende Lungenentzündung. Wenn Ambroxol für einen Abtransport von Abfallstoffen in den Zellen sorgt, könnte der Wirkstoff helfen. Hinzu käme die Hinweise der Studien, die auf eine verbesserte Penetration von Antibiotika in das Bronchialgewebe hindeuten. Bei einer Lungenentzündung, die in Folge der Coronavirus-Infektion auftreten kann und antibiotisch behandelt wird, wäre somit eine verbesserte Wirkung möglich.

Bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson konnten der Arzneistoff und sein Mechanismus bereits erste Erfolge verzeichnen: Eine Studie des Instituts für Neurologie des University College in London konnte nun erstmals positive Effekte von Ambroxol bei Patienten mit Parkinson zeigen: Über sechs Monate lang wurde den Erkrankten der Wirkstoff in steigender Dosierung verabreicht – die höchste Zieldosis waren 1,26 Gramm Ambroxol pro Tag.

Es wurde herausgefunden, dass sich bei Parkinson-Patienten die Substanz α-Synuclein in den Nervenzellen anhäuft. Diese Anreicherung wird auf eine verringerte Aktivität des Enzyms Glucocerebrosidase zurückgeführt. Durch den Überschuss an α-Synuclein wird die Regulation des Neurotransmitter Dopamin verändert, was schließlich zur Symptomatik der Parkinsonerkrankung führt. In Tierversuchen konnte bereits gezeigt werden, dass Ambroxol die Funktion der Glucocerebrosidase wiederherstellen kann, indem es zur korrekten Faltung des Enzyms beiträgt.

Nun konnten die Forscher in der klinischen Studie auch die Verträglichkeit des Wirkstoffes in solch hohen Dosierungen nachweisen. Zur Therapie von Atemwegserkrankungen werden vergleichsweise nur 75 bis 90 Milligramm Ambroxol eingenommen. Außerdem konnte der Übergang des Arzneistoffes in den Liquor – die Flüssigkeit des zentralen Nervensystems – erstmals am Menschen nachgewiesen werden: Dies weist darauf hin, dass die Substanz die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Außerdem konnten die Forscher positive Einflüsse auf eine Verbesserung der Parkinson-Symptome verzeichnen. Nach Absetzen der Medikation verschlechterte sich das Beschwerdebild zudem wieder. Die endgültige klinische Wirksamkeit muss jedoch noch in weiteren Phase-III-Studien belegt werden.

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