Demenzerkrankungen sind ein stetig wachsendes Problem, denn die Gesellschaft wird immer älter. Aktuell gibt es vielversprechende Erkenntnisse aus der Forschung: Ein Bluttest soll Alzheimer erkennen können – 20 Jahre bevor erste kognitive Störungen auftreten. Für die Behandlung befindet sich zudem ein neuer Wirkstoff in der Phase-II-Testung: Der Tyrosinkinase-Inhibitor Nilotinib könnte einen neuen Therapieansatz darstellen.
Der neuartige Frühtest für Alzheimer weist Bruchstücke des Tau-Proteins nach, welches typisch für die Erkrankung ist. Tau-Proteine spielen eine wichtige Rolle für die gesunde Funktion eines Gehirns: Alzheimer beginnt, wenn normale Tau-Proteine durch Trunkation pathologisch werden – Struktur und Funktion werden verändert. Die ungesunden Tau-Proteine binden sich aneinander und es entstehen Verklumpungen, die sich im Gehirn ausbreiten und die Krankheit verursachen.
In zwei Studien konnte der Bluttest Morbus Alzheimer genauso zuverlässig erkennen wie die derzeitigen Standardtests per Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und Liquoruntersuchungen – diese kommen jedoch aufgrund ihrer Kosten und der Invasivität nicht als Screeningmethode infrage. Der Bluttest könnte daher eine wertvolle Früherkennungsmethode darstellen. Er schlägt konkret auf den Blutmarker „P-tau217“ an, ein Fragment des Tauproteins, an dessen Position 217 an die Aminosäure Threonin eine Phosphorylgruppe angehängt ist.
Die Universität Lund in Schweden hat den Test an drei Kohorten untersucht: einer Gruppe, deren Gehirne nach dem Tod der Forschung zur Verfügung gestellt wurden, einer Gruppe, in der eine genetische Variante der Erkrankung durch eine Genmutation verbreitet ist und einer Kohorte mit zu Beginn kognitiv unauffälligen Senioren. In allen Gruppen konnte der Test als sensitiver und spezifischer Marker für die Alzheimer-Diagnose überzeugen. Bei der Kohorte mit der Genmutation konnte er sogar bei noch nicht erkrankten, jungen Menschen einen Anstieg des Tauproteins ermitteln – rund 20 Jahre bevor es zu ersten kognitiven Störungen kommt.
Auch die Washington University School of Medicine in St. Louis kommt zu ähnlich überzeugenden Ergebnissen: Ebenso wie in der schwedischen Studie gingen hohe Plasmawerte von „P-tau217“ mit Amyloid-Ablagerungen im Gehirn einher. Die Plasmawerte der Alzheimer-Patienten waren 2- bis 3-fach höher als bei Personen ohne Amyloid-Ansammlungen. Beide Teams sehen den Bluttest als geeignetes Hilfsmittel für die Frühdiagnose von Alzheimer an. Bevor er eingeführt wird, soll er jedoch noch weiter verfeinert und an größeren Kohorten getestet werden.
Auch in der Behandlung der Erkrankung gibt es Neuigkeiten: Der Tyrosinkinase-Inhibitor Nilotinib – eigentlich in der Krebstherapie eingesetzt – könnte einen möglichen Therapieansatz darstellen. In einer Phase-II-Studie konnte der Wirkstoff überzeugen und die Proteinablagerungen im Gehirn reduzieren, wie das University Medical Center in Washington berichtet.
Der Wirkstoff wurde in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie untersucht. An der Untersuchung nahmen 37 Patienten zwischen 50 und 85 Jahren mit leicht bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz teil. Sie alle wurden zunächst für mindestens einen Monat stabil auf eine einheitliche medikamentöse Therapie eingestellt. Außerdem wurden zu Beginn verschiedene Untersuchungen des Gehirns und des Liquors durchgeführt, bevor die Teilnehmer in zwei Gruppen randomisiert wurden: Eine Gruppe erhielt über 26 Wochen einmal täglich oral 150 mg Nilotinib und anschließend 300 mg Nilotinib für weitere 26 Wochen. Die andere Gruppe erhielt Placebo.
Mit den üblichen bildgebenden Verfahren zeigte sich schließlich, dass die Amyloid-Ablagerungen bei der Nilotinib-Gruppe deutlich zurückgegangen waren. Zudem konnten auch verschiedene Parameter gesenkt werden: Die Konzentrationen von Beta-Amyloid-40 verringerte sich bereits nach sechs Monaten deutlich, die von Beta-Amyloid-42 nach zwölf Monaten, ebenso wie die Phospho-Tau-181-Menge und der Volumenverlust des Hippocampus im MRT. Er war nach zwölf Monaten um 27 Prozent geringer als bei den Teilnehmern der Placebogruppe.
„Nach dem negativen Ausgang von Studien zu verschiedenen, zunächst sehr hoffnungsvollen Therapieansätzen ist diese Studie ein positives Signal für die Alzheimer-Forschung“, meint Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Der Wirkstoffkandidat soll nun weiter erforscht werden.
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