Mit dem Alter verändert sich der Stoffwechsel, daher sollten Patienten ab 65 Jahren einige Arzneimittel mit Vorsicht einsetzen. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SVA) diskutiert in dieser Woche über denn Sinn einer Altersgrenze für Schlafmittel und Triptane.
Bei den Triptanen soll es künftig keine Altersbeschränkung mehr geben. Naratriptan und Almotriptan waren 2005 beziehungsweise 2007 aus der Verschreibungspflicht zur Akutbehandlung entlassen worden – mit der Einschränkung der ärztlichen Erstdiagnose und nur für Patienten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren.
Einen fachlichen Grund gab es für die Alterseinschränkung nicht, vielmehr war sie aus der Zulassung übernommen. Unter anderem wegen dieser unpraktikablen Regelung lehnte der Bundesrat 2012 die Entlassung von Sumatriptan aus der Verschreibungspflicht ab. Fehleinschätzungen in der Praxis seien vorprogrammiert, hieß es damals.
Im zweiten Anlauf soll der Wirkstoff nun doch noch aus der Verschreibungspflicht entlassen werden; das Bundesgesundheitsministerium hat nach der Empfehlung des SVA kürzlich einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Eine Altersbeschränkung gibt es dabei nicht. Um die Rechtslage zu vereinheitlichen, soll daher nun auch die Altersgrenze für die beiden anderen rezeptfreien Triptane abgeschafft werden. Parallel soll auch die Indikation angeglichen werden.
Der Einsatz von Eletriptan, Frovatriptan, Rizatriptan und Zolmitriptan wird bei Patienten unter 18 beziehungsweise über 65 nicht empfohlen, diese Wirkstoffe sind nach wie vor rezeptpflichtig.
Dagegen wird im Ausschuss erneut über die Einführung einer Altersgrenze für Schlafmittel diskutiert. Im Sommer lehnten die Experten einen generellen Rx-Switch für alle sedierenden Antihistaminika der ersten Generation für die Altersgruppe 65+ ab. Allerdings wurde dabei auch verabredet, sich weiter mit den Einzelsubstanzen zu beschäftigen. Zu Diphenhydramin und Doxylamin hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) jetzt entsprechende Unterlagen aufgearbeitet.
Die Substanzen sind nicht spezifisch für den H1-Rezeptor: Daher durchdringen sie die Blut-Hirn-Schranke und lösen zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel oder Müdigkeit aus. Die Wirkstoffe stehen auf der Priscus-Liste: Bei Doxylamin bestehe eine erhöhte Sturzgefahr für ältere Patienten. Diphenhydramin soll außerdem im Zusammenhang mit kognitiven Beeinträchtigungen älterer Personen stehen. Zudem scheinen ältere Menschen unter Diphenhydramin ein erhöhtes Risiko für Delir-Symptome aufweisen.
Schon bei einer früheren Sitzung des Sachverständigenausschusses wurde darum gebeten, einen entsprechenden Antrag auf Unterstellung von Doxylamin unter die Verschreibungspflicht bei älteren Patienten zu stellen. Es wurde auch darum gebeten, eine generelle Verkaufsabgrenzung für Ältere zu überdenken.
Damals sprach sich der Sachverständigenausschuss mehrheitlich für einen Rx-Switch von Doxylamin bei der Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren aus. Seit einem Jahr gibt es entsprechende Säfte nur noch auf Rezept. Das Antihistaminikum ist eigentlich zur Beruhigung gedacht, führte teilweise aber zu paradoxen Reaktionen wie Unruhe, Halluzinationen, Angst und Krämpfen. Die größte Gefahr bestehe jedoch durch das mögliche Auftreten einer Atemdepression, wenn das Medikament überdosiert wird.
Experten sehen einen Rx-Switch für ältere Menschen kritisch: Professor Dr. Ingo Fietze, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums an der Charité und Vorsitzender der Deutschen Stiftung Schlaf, warnt vor einer drohenden „extremen Versorgungslücke“. Fietze räumt ein, dass zum Schutz der Patienten vor eventuellen Nebenwirkungen gewisse Regularien notwendig seien. „Für die Antihistaminika brauchen wir jedoch keine Verschreibungspflicht, sondern mehr Aufklärung und mehr kompetente schlafmedizinisch tätige Ärzte.“ Was man also eher brauche als eine Rezeptpflicht, sei Aufklärung, wie man Schlafstörungen verhindern kann – „damit das Heer der Schlaflosen nicht weiter wächst und wächst“.
Man tue älteren Menschen mit akuten oder chronischen Schlafstörungen keinen Gefallen, wenn man ihnen die wenigen noch frei verfügbaren Mittel vorenthalte beziehungsweise den Zugang erschwere, mahnt Fietze. „Das kann man machen, wenn es ein breites Netzwerk von Schlafmedizinern, die aufklären, helfen und behandeln, gibt. Doch davon sind wir weit entfernt.“ Aus seiner Sicht gibt es in Deutschland eine „extreme Versorgungslücke“, was die Betreuung von Patienten mit einer chronischen Schlafstörung betrifft. Daher wäre anstelle von Restriktionen eine intensivere Information der Patienten über das Thema Schlaf, den Umgang mit Schlafstörungen und die Anwendung von schlaffördernden Mitteln angezeigt. „Will man den Schlafmittelgebrauch bei Älteren beeinflussen, dann sollte man mit einer besseren Aufklärung der Betroffenen, der Pflegenden, der Betreuer, der Apotheker sowie der Hausärzte und Allgemeinmediziner anfangen. Das hilft mehr als eine neue Regelung, die zudem auf fraglicher Evidenz beruht.“
Aus seiner klinischen Erfahrung funktioniere der Umgang mit Schlafmitteln über eine begrenzte Zeit „sehr gut“. Gerade für ältere Menschen seien entsprechende OTC-Medikamente hilfreich, weil sie oft nur als Bedarfsmedikation benötigt würden und die Betroffenen gar kein vom Arzt verschriebenes Medikament haben wollten – allein schon wegen des zusätzlichen Weges. „Viele ältere Patienten nutzen diese Mittel vor besonderen Tagen, an denen sie ausgeschlafen sein wollen oder auf Reisen oder bei der Gewöhnung an eine fremde Schlafumgebung, oder um sich zumindest einmal in der Woche auszuschlafen.“
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