Stephen Hawking ist der wohl bekannteste Mensch, der an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet. Das Physikgenie erkrankte bereits mit 21 Jahren an chronisch juveniler ALS, die von einem langen Krankheitsverlauf gekennzeichnet ist. Vor einigen Jahren durch die Ice-Bucket-Challenge bekannt geworden, ist die Erkrankung wieder aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Was sind die Symptome und wie verläuft die ALS?
ALS ist eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, es kommt zum Zelluntergang der motorischen Zellen im Gehirn und Rückenmark. Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 50 und 70 Jahren, dabei erkranken Männer häufiger als Frauen. Etwa zwei bis acht Menschen von 100.000 leiden an ALS.
Der Krankheitsverlauf ist schleichend und fortschreitend. Der Verlauf ist variabel – abhängig davon. welche Zellen betroffen sind. Leichte Ungeschicklichkeiten, Stolpern oder schmerzlose Lähmungen können den Beginn der Erkrankung markieren. Bei etwa 30 Prozent der Betroffenen sind Sprach- und Schluckstörungen die ersten Anzeichen, in diesem Fall spricht man von einem bulbären Beginn.
Die Schluckstörungen können Ursache für eine Essensverweigerung sein. Nahrung kann eingeatmet werden und eine Lungenentzündung verursachen, die als häufigste Todesursache gilt. Sprachstörungen äußern sich durch eine angestrengte verlangsamte Sprache, ähnlich der eines Schlaganfallpatienten.
Im Laufe der Erkrankung treten schmerzlose Lähmungen mit einer Erhöhung der Muskelspannung auf, unwillkürliche Zuckungen können deutlich sichtbar sein. Es kommt zu Muskelkrämpfen und Muskelversteifungen bis hin zu allgemeiner Kraftlosigkeit und Muskelschwund. Betroffen von der Erkrankung können alle Muskelpartien sein, ausgenommen Augen-, Herz- und Schließmuskel.
Der Untergang der motorischen Nervenzellen führt schließlich zum Verlust der motorischen Funktionen, Arme und Beine können vollständig gelähmt sein. So auch bei Hawking: Der heute 74-jährige sitzt seit 1968 im Rollstuhl und kommuniziert seit 1985 über einen Sprachcomputer. Die verbale Kommunikation steuert der Physiker durch die Bewegung seiner Augen und des Wangenmuskels. Hawking verlor seine Sprache durch die Erkrankung selbst und das Auftreten einer Lungenentzündung.
Die Ursachen der Erkrankung sind bislang ungeklärt. Vermutet werden ein Glutamat-vermittelter Neuronenuntergang, oxidativer Stress oder eine Mitochondriendysfunktion als mögliche Faktoren. Eine im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie von Neurowissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Neurobiologie konnte zeigen, dass bei Patienten mit ALS ähnliche funktionale Veränderung im Gehirn zu finden sind wie bei Patienten mit temporaler Demenz.
Die bekannteste Therapie stellt der neuroprotektive Wirkstoff Riluzol dar. Die Glutamat-Freisetzung wird gehemmt, spannungsabhängige Natriumkanäle werden inaktiviert. Die Behandlung verzögert die ALS, kann die Erkrankung jedoch nicht heilen. In Einzelfällen ist eine Wirkung des Medikamentes nicht erkennbar, Patienten haben mit Nebenwirkungen wie Durchfall, Asthenie, Erbrechen und Schwindel zu kämpfen. Wird der Wirkstoff in frühen Stadien eingesetzt, kann er das Leben der Patienten um bis zu sechs Monate verlängern.
Hoffnung wird auch in die Vitamine A und E sowie Coenzym Q10 gesetzt. Diese sollen freie Radikale abfangen und den oxidativen Stress mindern. Bislang konnte sich jedoch kein Erfolg in der Therapie belegen lassen, gleiches gilt für den Einsatz von Kreatin.
Muskelkrämpfe können mit Chininsulfat behandelt werden. Die Krämpfe sind tückisch, da sie spontan ohne erkennbaren Anlass auftreten. Amitritylin und Citalopram kommen gegen das pathologische Lachen und Weinen zum Einsatz. Das organisch bedingte Symptom tritt bei etwa der Hälfte der Patienten auf. Zur symptomatischen Behandlung der pseudobulbären Affektstörung kann in den USA eine Kombination aus Chinidin und Dextromethorphan eingesetzt werden.
Die symptomatische Therapie stellt eine große Bedeutung in der ALS-Behandlung dar. Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und psychologische Betreuung sind unerlässlich. Patienten sollten frühzeitig über das Anlegen einer PEG-Sonde nachdenken, um einem massiven Gewichtsverlust durch eine Mangelernährung vorzubeugen.
Atmungsunterstützung ist eine wichtige Ergänzung der Therapie, die frühzeitig mit den Patienten besprochen werden sollte und – wie das Anlegen einer PEG-Sonde – in der Patientenverfügung festgelegt werden sollte. Auf diese Weise lassen sich Folgeerscheinungen der geminderten Sauerstoffzufuhr wie Kopfschmerzen reduzieren. Nicht-invasiv ist die Sauerstoffgabe über Atemmasken. Eine kontrollierte Beatmung nach dem Anlegen eines Tracheostomas ist invasiv.
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