Magensäureblocker

Allergien durch PPI?

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Berlin -

Millionen Deutsche nehmen regelmäßig Tabletten, die die Säureproduktion im Magen herunterregeln. Die massenhafte Verschreibung solcher Mittel ist schon länger umstritten – nun sind Forscher auf eine weitere unliebsame Nebenwirkung gestoßen: Die Einnahme von Magensäureblockern erhöht offenbar das Risiko für Allergien.

Zu dem Ergebnis kommen österreichische Forscher nach der Auswertung von Krankenkassen-Daten: Patienten, denen Medikamente gegen Magensäure verschrieben wurden, bekamen demnach in den Jahren darauf häufiger auch Medikamente gegen Allergien, wie auch Spiegel Online berichtet. Die Forscher um Galateja Jordakieva von der Universität Wien hatten Daten österreichischer Krankenversicherungen ausgewertet. Sie boten Einblick in die Behandlung von über 8,2 Millionen Patienten, was nahezu der gesamten österreichischen Bevölkerung entspricht. Die Wissenschaftler prüften, wie oft die Menschen zwischen 2009 und 2013 bestimmte Medikamente verschrieben bekamen.

Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen zwei Erkrankungen: Die Wahrscheinlichkeit, ein Allergiemedikament zu benötigen, war bei Patienten, die schon einen Magensäureblocker verordnet bekommen hatten, zweimal so hoch wie bei anderen Patienten. Besonders stark waren demnach Frauen von der erhöhten Allergiegefahr betroffen, zudem auch ältere Menschen, berichtet das Team im Fachmagazin „Nature Communications“. Dabei machte es keinen Unterschied, welches Medikament verschrieben wurde.

Da Magensäureblocker auf ganz unterschiedliche Weise wirken, vermuten die Forscher, dass ihr Effekt - der veränderte pH-Wert im Magen – für die Allergien verantwortlich ist. Proteine, die über die Nahrung aufgenommen werden, könnten demnach im Magen nicht mehr so gut zerlegt werden und dann Allergien hervorrufen. Es könnte auch sein, so die Forscher, dass die Medikamente Signalwege aktivieren, über die Allergien ausgelöst werden.

Ulrich Fölsch vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein rät, Magensäureblocker nicht unbedarft zu nehmen. „Das sind sehr gute Medikamente, welche bei einigen Patienten die Lebensqualität erheblich verbessern können, wobei die Nebenwirkungen sich in einem überschaubaren Rahmen bewegen.“ Sie sollten aber nicht vorsorglich, zum Beispiel grundsätzlich zu Schmerztabletten, eingenommen werden.

Außerdem sollten Magensäureblocker nach einiger Zeit wieder abgesetzt werden, so Fölsch. „Wir haben einen Zusammenhang mit Allergien zwar bisher nicht gesehen, aber die Studie zeigt das auf und interessanterweise ganz unabhängig davon, welches Medikament zur Hemmung der erhöhten Magensäure genommen wird.“ Schon seit einigen Jahren kritisieren Experten, dass Magensäureblocker zu oft und leichtfertig verschrieben würden.

Laut Zahlen der Barmer bekamen im Jahr 2018 rund 11,5 Millionen Versicherte in Deutschland eine Verordnung von Magensäureblockern. Die sogenannten Protonenpumpenhemmer sind zudem auch rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Die Barmer schlug auch 2017 mit Hinblick auf die steigenden Verordnungszahlen für junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren schon Alarm: Für das Bundesland Sachsen gab die Krankenkasse einen Zuwachs von 43 Prozent bei jungen Frauen und 47 Prozent bei Männern gleichen Alters an.

Ursache für die Entwicklung ist aus Sicht der Experten der Barmer womöglich häufiger Druck, unter dem junge Menschen stünden. Dieser schlage ihnen auf den Magen. „Magensäureblocker können abhängig machen und sollten daher nur bei akuten Beschwerden über einen begrenzten Zeitraum in Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden“, kritisierte Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer. Patienten könnten in einen Teufelskreis geraten und der gelegentliche Griff zu einer Dauereinnahme werden. Ein abruptes Absetzen der Präparate könne die Säureproduktion ansteigen lassen und so die Beschwerden verstärken.

Magensäureblocker sind indiziert zur Behandlung von verschiedenen Ulzera und Helicobacter pylori im Rahmen der Triple-Therapie, zur Prophylaxe und Therapie von gastrointestinalen Ulzera durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Refluxkrankheit und Ösophagitis sowie dem Zollinger-Ellison-Syndrom. Sie verhindern die Sekretion der Magensäure durch eine spezifische Hemmung der Protonenpumpe. Die verminderte Freisetzung der Magensäure ist reversibel.

Die Wirkstoffe sind säureempfindlich und daher mit einem magensaftresistenten Überzug versehen. Daher können sie erst im Dünndarm resorbiert werden. Die jeweiligen Prodrugs gelangen über den Blutkreislauf an die Belegzellen im Magen und werden dort durch die Säure in ihre eigentliche Wirkform überführt. Durch Bindung an die H+/K+-ATPase wird die Protonenpumpe an der Freisetzung der Magensäure irreversibel gehemmt. Die lange Wirkdauer beruht auf der Neubildung der H/K-ATPase, die etwa ein bis drei Tage in Anspruch nimmt.

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