Antibiotikagabe bei Säuglingen

Allergien durch Penicillin & Co.?

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Berlin -

Der Einsatz von Antibiotika wird zunehmend kritisch gesehen. Einer der Gründe sind zunehmende Resistenzen gegen die Wirkstoffe. Nun zeigt eine retrospektive Kohortenstudie jedoch auch, dass es durch den Einsatz von verschiedenen Antibiotika im Kindesalter vermehrt zu späteren Allergien kommen kann. Dies sei vor allem der Fall, wenn mit mehreren Antibiotikaklassen behandelt werde.

Dass die Einnahme von Antibiotika Einfluss auf die Darmflora hat, ist mittlerweile bekannt. Denn nicht nur die schädlichen Bakterien werden im Körper abgetötet, sondern auch die notwendigen „guten“ Bakterien werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Forscher aus Bethesda/Maryland gehen jedoch noch einen Schritt weiter: Sie gehen davon aus, dass diese Darmflora-Störungen die Entwicklung von Allergien begünstigen können. Eine frühe Antibiotika-Therapie könne den Ergebnissen zufolge vor allem zu Asthma und allergischer Rhinitis führen.

Für ihre Analysen nahmen sich die Wissenschaftler die Versicherungsdaten von knapp 800.000 Kindern zu Hilfe: Unter ihnen gab es in den ersten sechs Lebensmonaten insgesamt über 162.0000 Antibiotika-Verordnungen. Bei knapp 60 Prozent – also mehr als der Hälfte dieser Verordnungen – handelt es sich um Penicillin. An zweiter Stelle stehen mit 13 Prozent Makrolide und Cephalosporine, es folgen Penicillin mit einem β-Laktamaseinhibitor (9,7%) und Sulfonamide (3,8%).

Anschließend schauten sich die Forscher die Antibiotikagaben genauer an: Bei gut 109.000 Kindern wurde nur eine Antibiotikaklasse verschrieben, bei über 20.000 Kindern waren es sogar zwei verschiedene Antibiotikaklassen. Auch Verordnungen von drei Antibiotikaklassen kamen vor: Immerhin 3543 Kinder erhielten in den ersten sechs Lebensmonaten eine solche Therapie. Rezepte für vier oder mehr Antibiotikaklassen wurden für 474 Kinder ausgestellt.

Anhand der Nachbeobachtungszeit und der weiteren Analysen, konnten die Forscher für alle Antibiotikaklassen ein signifikant erhöhtes Auftreten von allergischen Erkrankungen ausmachen. Bei der Therapie mit mehreren Antibiotikaklassen sei das Risiko daher extrem erhöht. Am wenigsten führten Sulfonamide in der Studie zu allergischen Folgeerkrankungen. Bei der Verordnung von zusätzlichen Antibiotikaklassen war das Auftreten aller allergischen Erkrankungen erhöht: Dies gilt sowohl für Nahrungsmittelallergien, Anaphylaxie, Asthma, atopische Dermatitis, allergische Rhinitis, allergische Konjunktivitis sowie Kontaktdermatitis.

Zwar liefert die Studie den Autoren zufolge keinen konkreten Beweis für das Auslösen von Allergien durch Antibiotika, jedoch zeigt sie eine einige Daten, die darauf hindeuten. Es könne jedoch auch eine reverse Kausalität vorliegen: Demnach könnten Säuglinge, die grundsätzlich von Geburt an bereits ein erhöhtes Allergierisiko aufweisen auch anfälliger für Bakterien sein. Allerdings schätzen die Autoren diesen Ansatz als unwahrscheinlich ein, da die Daten der Auswertungen adjustiert wurden. Die Exposition gegenüber mehreren Antibiotikaklassen bringe das Mikrobiom vermutlich noch stärker durcheinander als die Behandlung mit nur einer Antibiotikaklasse. Dies spreche dafür, dass Störungen des Mikrobioms ein Risikofaktor für die Entwicklung allergischer Erkrankungen seien.

Vor einigen Jahren konnten Tierversuche zeigen, dass eine frühe Antibiotikagabe bei Kindern ebenfalls Einfluss auf den Stoffwechsel nimmt und die Entwicklung nachhaltig beeinflussen kann: Tiere, denen zu Lebensbeginn Antibiotika verabreicht wurden, wiesen ein stärkeres Knochenwachstum und Gewichtszunahme auf. Außerdem kam es ebenso zu Auswirkungen auf die Leber und die Darmflora. Auch andere Studien zeigten in der Vergangenheit trotz abweichenden Studiendesigns ein erhöhtes Adipositas-Risiko bei Kindern, die schon früh mit Antibiotika behandelt wurden. Der Einsatz wird daher zunehmend kontrovers gesehen.

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