Erstattungspreis für Selincro APOTHEKE ADHOC, 01.09.2015 18:00 Uhr
Der dänische Hersteller Lundbeck und der GKV-Spitzenverband haben sich auf einen Erstattungspreis für die Anti-Alkohol-Pille Selincro (Nalmefen) geeinigt. Der Hersteller muss mit seinem Preis 15 beziehungsweise 17 Prozent herunter gehen: Die N2-Packung mit 18 Tabletten kostet nur noch 76,80 Euro, bisher waren es 90,63 Euro. Die 49-Stück-Packung kostet künftig 241,37 statt bisher 289,77 Euro.
Selincro war im vergangenen September in Deutschland auf den Markt gekommen. Das Präparat ist zur Therapie der Alkoholabhängigkeit bei Erwachsenen zugelassen, deren Alkoholkonsum sich auf mindestens „hohem Risikoniveau“ befindet (mehr als 60 g reiner Alkohol pro Tag für Männer und mehr als 40 g pro Tag für Frauen). Außerdem dürfen sie keine körperlichen Entzugssymptome haben, die Notwendigkeit einer sofortigen Entgiftung gilt ebenfalls als Kontraindikation.
Der Patient nimmt eine Tablette an Tagen, an denen er das Risiko verspürt, Alkohol zu trinken – idealerweise ein bis zwei Stunden vor dem voraussichtlichen Zeitpunkt des Alkoholkonsums, ansonsten möglichst bald nach Beginn. Selincro reduziert die verstärkende Wirkung von Alkohol auf das sogenannte Belohnungssystem, dessen Aktivität bei Alkoholabhängigen verändert ist. Dadurch verringert das Präparat das Verlangen, Alkohol zu trinken.
In zulassungsrelevanten Studien bewirkte Selincro eine schnelle und langfristige Reduktion des Gesamt-Alkoholkonsums und der starken Trinktage. Nach sechs Monaten Behandlung sanken die starken Trinktage (HDDs) von 23 auf 9 Tage pro Monat und der Gesamt-Alkoholkonsums (TAC) von 102 g auf 40 g pro Tag.
Nach einem Jahr verringerten sich die starken Trinktage (HDDs) um 64 Prozent von 19 auf 7 Tage pro Monat und der Gesamt-Alkoholkonsum (TAC) um 67 Prozent von 100 g auf 33 g pro Tag. Dies entspricht einer durchschnittlichen Reduktion um etwa eine dreiviertel bis ganze Flasche Wein pro Tag.
Die Behandlung wird ambulant durchgeführt, dadurch soll der Patient nicht aus seinem Alltag gerissen werden. Im Februar 2013 hat die EU-Kommission die Zulassung erteilt. Seit 2013 ist das Medikament bereits in Norwegen, Finnland, Polen und den baltischen Ländern erhältlich.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sah einen Zusatznutzen von Selincro nicht als belegt an. Laut Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) legte der Hersteller ausschließlich Daten für einen indirekten Vergleich mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie Naltrexon vor, die jedoch ungeeignet seien. Der Hersteller legte insgesamt elf Studien vor, bei denen der Wirkstoff jeweils mit Placebo als Brückenkomparator verglichen wurde.
Lange Zeit war die Abstinenz das primäre Ziel bei der Behandlung von Alkoholabhängigkeit. Mit der neu erschienenen Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ gilt aber auch die Reduktion des Alkoholkonsums als Therapieziel. Zur pharmakologischen Unterstützung dieses Ziel wird auch Nalmefen in der Leitlinie aufgeführt.
„Mit der Einigung über den Erstattungsbetrag von Selincro ist ein wichtiger Baustein für die Therapie von Menschen mit Alkoholabhängigkeit gelegt und somit die Wirtschaftlichkeit eines innovativen Arzneimittels mit hohem Bedarf sichergestellt“, kommentierte Lundbeck-Geschäftsführer Dierk Schoch die Vereinbarung mit dem GKV-Spitzenverband.
Beim Hersteller ist man weiterhin überzeugt, die Überlegenheit von Nalmefen gegenüber Naltrexon „valide und robust“ dargelegt zu haben – auch wenn dies vom G-BA aus methodischen Gründen nicht anerkannt worden sei. Selincro sei damit nicht nur aus ökonomischer Sicht eine therapeutische Alternative.