MS und Migräne

Akupunktur-Studie: Wunder-Nadeln gegen den Schmerz?

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Berlin -

Migräne und Multiple Sklerose (MS) können häufig zusammenhängen und doppeltes Leiden verursachen: Neben der medikamentösen Therapie können aber auch nicht-medikamentöse Verfahren zur Prophylaxe der Migräne zum Einsatz kommen. Eine chinesische Studie hat sich kürzlich mit der Akupunktur befasst – die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) sieht die positiven Ergebnisse jedoch kritisch.

Manchmal können sich die Beschwerdebilder von MS und Migräne zumindest teilweise überschneiden. Daher kommt es vor allem im Anfangsstadium der MS häufig noch immer zu Fehldiagnosen. Statt einer MS wird oft eine Migräne diagnostiziert, eine rechtzeitige Behandlung bleibt daher aus. Andersherum leiden jedoch auch viele MS-Patienten häufig an Migräne.

Nicht-medikamentöse Verfahren als Alternative

In Deutschland leben schätzungsweise 100.000 Migräne-Patienten. Der chronische Kopfschmerz kann den Alltag unerträglich machen. Zur Behandlung stehen verschreibungspflichtige und OTC-Arzneimittel zur Verfügung. Aber auch eine nichtmedikamentöse Therapie kann sich positiv auf die Migräneattacken auswirken. Dazu zählt beispielsweise die Akupunktur, welche auch als Prophylaxe eingesetzt werden kann und in der aktuellen Leitlinie aufgeführt ist. Sie kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn eine medikamentöse Prophylaxe nicht in Frage kommt. Vor allem bei episodischer Migräne soll sie helfen und vorbeugen können.

Wissenschaftler haben die Wirkung der Akupunktur mit einer sogenannten „Scheinakupunktur“ verglichen. Die chinesischen Forscher untersuchten die Wirksamkeit der Akupunktur zur Prophylaxe von episodischer Migräne ohne Aura bei Patienten, die bisher noch keine Akupunktur erhalten hatten, an insgesamt sieben Krankenhäusern. Die Teilnehmer hatten alle seit mindestens einem Jahr keine Migräneattacken mit Aura, die Diagnose musste zudem vor dem 50. Lebensjahr gestellt worden sein. Insgesamt durften zudem nicht mehr als zwei bis acht Migräne-Attacken in der Anfangsphase der Studie auftreten. Die Studie wurde über eine Dauer von 24 Wochen durchgeführt: aufgeteilt in vier Wochen Baseline-Assessment, acht Wochen Therapie und zwölf Wochen Follow-up.

Standardbehandlung vs. Akupunktur

Die Patienten wurden nach dem Schema 2:2:1 randomisiert. 60 Patienten wurden der Akupunktur-Gruppe, 60 Patienten der Scheinakupunktur-Gruppe und 30 Patienten der Standardbehandlung zugeordnet. Die erste Gruppe erhielt nur die Standardbehandlung im Bereich der nicht-medikamentösen Therapie: Sie wurden in Bezug auf Trigger geschult und angehalten, ein Kopfschmerz-Tagebuch zu führen, um diese zu ermitteln. Darin wurde neben den Kopfschmerztagen auch der Schlafrhythmus und die körperliche Aktivität erfasst. Die Standardbehandung wurde in allen drei Gruppen durchgeführt.

Gruppe 2 erhielt zudem die klassische Akupunktur: Jeder der Teilnehmer aus dieser Gruppe erhielt 20 Sitzungen zu je 30 Minuten über einen Zeitraum von acht Wochen. Alle Therapeuten waren lizensiert und hatten mindestens fünf Jahre Erfahrung. Die Behandlung erfolgte an zehn obligatorischen Akupunkturpunkten, zusätzliche Punkte wurden basierend auf der Meridiandiagnostik und den Symptomen der Patienten ausgewählt. In der dritten Gruppe erhielten die Probanden neben der Standardbehandlung eine sogenannte „Scheinakupunktur“: Hier wurden stumpfe Nadeln verwendet, die mithilfe von Plastikringen fixiert wurden. Die Manipulation der Nadeln konnte simuliert werden, da die Spitzen der Nadeln bei Druck im Nadelschaft versenkt werden.

Reduktion von Migränetagen und Attacken

Primärer Endpunkt der Studie war die Reduktion der Migräne-Attacken und Migränetage pro Monat in den Wochen 1 bis 20 nach der Randomisierung im Vergleich zur Baseline. Sekundärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit einer 50-prozentigen Reduktion der Migränetage oder -Anfälle in den Wochen 17 bis 20. Das Besondere: Sowohl Akupunktur als auch Scheinakupunktur zeigten einen signifikanten Nutzen im Vergleich zu den Probanden, die nur die Standardtherapie erhalten hatten. Bei den Teilnehmern, die Akupunktur erhielten, gingen die monatlichen Migränetage um 3,9 Tage zurück, bei der Scheinakupunktur waren es 2,2 Tage – unter der Standardbehandlung hingegen nur 1,4 Tage. In Bezug auf den sekundären Endpunkt konnten folgende Ergebnisse verzeichnet werden: Eine 50-prozentige Reduktion von Migränetagen und Anfällen zeigte sich bei 82,5 Prozent der Akupunktur-Patienten, 45,8 Prozent der Scheinakupunktur-Patienten und 17,9 Prozent der Patienten, die nur die Standardbehandlung erhielten.

DGN zweifelt an positiven Ergebnissen

Die Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) sehen die Ergebnisse jedoch kritisch: Denn in mehreren großen Studien konnte zuvor keine so große Überlegenheit ermittelt werden. „Diese hohen Zahlen machen stutzig, auch weil sich das Ergebnis mit keiner bisherigen Studie deckt. In der großen Cochrane-Analyse zur Akupunktur bei Migräne aus dem Jahr 2016 gibt es beispielsweise keine einzige Arbeit, in der mehr als die Hälfte der Patienten eine 50-prozentige Responderrate aufweisen“, erläutert Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN.

Hinzu komme, dass die bisher publizierten großen randomisierten kontrollierten Studien die Akupunktur und Scheinakupunktur miteinander verglichen hatten, keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Verfahren feststellen konnten. „Hier lag hingegen ein signifikant unterschiedlicher Behandlungseffekt vor – und das, obwohl die Verblindung bestens funktioniert hat, ein möglicher Placeboeffekt also in beiden Gruppen gleichermaßen zum Tragen gekommen sein muss.“ Die Experten empfehlen daher große randomisierte Studien im europäischen Setting, um die Wirkung der Akupunktur in der Migräneprophylaxe erneut zu bewerten.

Das Beschwerdebild der Migräne

Eine Migräne ist in der Regel gut erkennbar. Der Schmerz ist meist einseitig und kann sich bei körperlicher Aktivität verstärken. Zudem können die Betroffenen licht- und geräuschempfindlich sein. Zu den vegetativen Begleitsymptomen zählen auch Übelkeit und Erbrechen. Ein Migränepatient kennt sich und seine Attacke selbst sehr gut. Zudem können Vorboten eine Attacke ankündigen. Etwa 10 bis 15 Prozent erleben eine Aura. Danach folgt die Kopfschmerzphase, die drei bis fünf Stunden oder gar bis zu 70 Stunden andauern kann. Arzneimittel sollten daher so früh wie möglich in der Kopfschmerzphase eingesetzt werden.

Im Bereich der medikamentösen Prophylaxe werden verschiedene Wirkstoffe eingesetzt: Neben Betablockern und Calciumkanalblockern, welche zahlreiche Kontraindikationen haben, werden mittlerweile auch monoklonale Antikörper wie Galcanezumab, Fremanezumab und Erenumab verwendet. Diese wurden 2019 in die Leitlinie aufgenommen. Allerdings sind die Kosten für eine solche Therapie vergleichsweise hoch. Neben der Akupunktur können im Bereich der nicht-medikamentösen Maßnahmen auch Ausdauersport, Entspannungstechniken wie Yoga, progressive Muskelrelaxation und autogenes Training hilfreich sein. Auch das Vermeiden von bekannten Triggern kann Betroffenen wesentlich helfen: Sind sie einmal herauskristallisiert kann der Alltag so gestaltet werden, dass Trigger möglichst umgangen und eine drohende Migräne-Attacke somit vermieden wird.

 

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