Ärzt:innen warnen: Influenza kommt mit voller Wucht zurück Cynthia Möthrath, 23.06.2022 15:42 Uhr
Apotheken können nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Grippe impfen. Gleich bei beiden Indikationen könnten sie im Herbst gefragt sein: Einerseits stehen die nächste Corona-Welle und Booster-Kampagne an, andererseits kommen beunruhigende Nachrichten aus Australien, was die Grippewelle angeht. Bei einem Fachgespräch von Sanofi warnten Ärzt:innen vor einem gleich doppelt „heißen Impf-Herbst“.
Zwar sind die Infektionszahlen während der Pandemie zurückgegangen. „Influenza ist jedoch nicht verschwunden“, mahnt Professor Dr. Georg Predel, Universitätsprofessor an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er verweist auf die schwere und frühe Grippeepidemie in Australien, welche aktuell zu Problemen führt: „Der kommende Winter könnte auch bei uns eine schwere Saison werden.“
Expert:innen sehen die Lage in Australien als Vorbote. „Die Influenza könnte mit voller Wucht zurückkommen“, so Predel. Denn die Immunitätslage in der Bevölkerung gegenüber Grippeviren und anderen respiratorischen Erregern sei wahrscheinlich sehr gering. „Die Grippeviren hatten jetzt zwei Jahre Zeit, Kraft zu sammeln.“ Auch mit Blick auf die Hospitalisierungsrate müsse die Influenza neben Covid-19 berücksichtigt werden.
Gewachsene Impfbereitschaft
Die Pandemie hat die Sicht auf Atemwegserkrankungen und Impfungen verändert. Das berichtet auch Hausarzt Dr. Ralph-Michael Hönscher. Die Angst vor einer Erkrankung habe viele Menschen dazu gebracht, sich impfen zu lassen, sodass kaum Überzeugung notwendig gewesen sei. Außerdem sei das Vertrauen in die Forschung gewachsen. „Die Pandemie hat insgesamt zu mehr Aufmerksamkeit für die Stiko-Empfehlungen geführt.“
Die Empfehlung des Hochdosis-Impfstoffs Efluelda für alle ab 60 Jahren findet er sinnvoll: „Die Evidenzlage ist viel besser als für die anderen Grippeimpfstoffe. Es zeigte sich eine signifikante Überlegenheit bei der Impfeffektivität in dieser Gruppe“, so sein Fazit nach einem Jahr mit der neuen Vakzine. Dadurch könnten Komplikationen vermieden werden.
Influenza: Mehr als eine Atemwegserkrankung
Denn bei der Influenza handle es sich nicht um eine reine Atemwegserkrankung, erklärte Dr. Petra Sandow, Hausärztin aus Berlin. „Es ist eine Systemerkrankung.“ In Folge der Influenza können verschiedene Organe massiv belastet werden, außerdem kann es zu einer Verschlechterung von bestehenden Grunderkrankungen wie Diabetes, Asthma, COPD oder Nierenfunktionsstörungen kommen. Auch die Entstehung von Pneumonien ist möglich.
Auswirkungen werden deutlich unterschätzt
Durch die Schutzimpfung können somit auch Folgeschäden einer Influenza-Erkrankung verhindert werden. Betroffene schützen sich also nicht nur vor der saisonalen Grippe, sondern auch vor Herz-Kreislauf-Komplikationen wie einem akuten Myokardinfarkt, ischämischer Herzerkrankung, Schlaganfall oder Herzinfarkt. Vor allem Menschen über 65 Jahren seien gefährdet, erklärt Sandow. „Das Risiko für einen Schlaganfall ist bereits in den ersten drei Tagen der Erkrankung massiv erhöht.“ Beim Schlaganfall ist es 8-fach erhöht, beim Herzinfarkt sogar bis zu 10-fach. Oft bleiben durch die Influenza daher Folgeschäden am Herzen zurück – auch wenn die Erkrankung selbst durchgestanden ist.
„Die Auswirkungen der Influenza werden deutlich unterschätzt“, findet auch der Münchener Allgemeinmediziner Dr. Markus Frühwein. Die Impfraten seien viel zu niedrig – dabei könne die Schutzimpfung vor schweren Verläufen und Folgeerkrankungen schützen. „Die Stiko-Empfehlung für die vulnerable Gruppe ist daher absolut sinnvoll.“