Lieferschwierigkeiten

Ärger mit Pneumokokken-Impfstoffen

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Berlin -

Nicht nur die Versorgung mit Grippeimpfstoffen ist derzeit schwierig, auch andere Vakzinen machen regelmäßig Probleme und sorgen für Unmut beim Apothekenpersonal. In diesem Jahr lassen sich auch Pneumokokken-Impfstoffe nur selten in Apotheken blicken. Grund dafür ist nicht nur Corona.

Bereits zu Beginn des Jahres zeichneten sich erste Lieferschwierigkeiten bei Pneumokokken-Impfstoffen ab. Auf dem deutschen Markt stehen Prevenar 13 (Pfizer) und Pneumovax 23 (MSD Sharp & Dohme) zur Verfügung. Im März – zur Hochsaison der Corona-Pandemie – kam es dann zu einem massiven Engpass bei den Vakzinen. Grund dafür waren geänderte Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko): Um Komplikationen zu vermeiden, sollten Menschen über 60 Jahre und Personen mit Vorerkrankungen aufgrund der Corona-Pandemie auch gegen Pneumokokken geimpft werden.

Corona lässt Nachfrage steigen

Die Nachfrage war so groß, dass bei einigen Herstellern bereits im März die Hälfte des Jahreslagerbestandes abverkauft war. Einzelpackungen waren gar nicht mehr zu bekommen. Der Einzelimport sollte achtmal so teuer sein. Aufgrund der Lieferengpässe bei den Impfstoffen informierte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) über empfohlene Vorgehensweisen. Die Stiko sprach sich dafür aus, Risikogruppen zu priorisieren – folglich sollten nur vulnerable Personengruppen versorgt werden.

Im Juli wurden die priorisierten Impfempfehlungen zurückgenommen. Gleichzeitig informierte Pfizer über eine vollumfängliche Lieferfähigkeit von Prevenar 13. Pneumovax 23 bereitete weiterhin Probleme. Zwischenzeitlich wurde Ware aus Japan besorgt, um die Versorgung auf dem deutschen Markt zu sichern. Doch Apotheken haben immer wieder mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen.

Pneumovax fehlt weiterhin

„Die Nachfrage nach unserem Pneumokokken-Impfstoff Pneumovax 23 ist im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie weltweit und in Deutschland stark gestiegen“, erklärt eine Sprecherin von MSD. „Zum Vergleich: In der Bundesrepublik gingen im Jahr 2019 1,2 Millionen Dosen Pneumovax 23 in den Markt – im Jahr 2020 planen wir, insgesamt 2,5 Millionen Dosen Pneumovax 23 zur Verfügung zu stellen.“

Allerdings sei die Produktion von Impfstoffen ein komplexer, biotechnologischer Vorgang, welcher bis zu 36 Monate in Anspruch nehmen könne. Zudem unterliege die Produktion strengen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. „Dies erfordert eine langfristige Produktionsplanung, die eine kurzfristige Anpassung an eine veränderte Nachfrage nur sehr eingeschränkt möglich macht“, erklärt der Konzern. Ziel sei, eine stabile Versorgung dauerhaft sicherzustellen, dafür werde intern nach Wegen gesucht.

Die Einzeldosis Pneumoax 23 ist weiterhin nicht lieferbar. Voraussichtlich Ende Januar 2021 wird wieder Nachschub zu bekommen sein. Auch die 10er-Packung ist weiterhin nur eingeschränkt lieferbar. Dabei macht der 23-valente Polysaccharid-Impfstoff einen Großteil der benötigten Ware aus: Denn er wird von der Stiko für Personen ab 60 Jahren empfohlen. Gegebenenfalls können Wiederholungsimpfungen im Abstand von mindestens sechs Jahren nach individueller Indikationsstellung erfolgen.

Prevenar 13 vollumfänglich lieferbar

Pfizer hingegen meldet seinen Pneumokokken-Impfstoff Prevenar 13 in Deutschland als vollständig lieferbar. Auch auf der Engpass-Liste des PEI ist kein Eintrag zu finden. „Gegenüber den Vorjahren stellt Pfizer dem deutschen Markt zudem zusätzliche Mengen des Impfstoffes zur Verfügung.“ Neben der Einzeldosis und der 10-er-Packung kann auch eine 50er-Einheit bestellt werden.

Der 13-valente Pneumokokken-Konjugatimpfstoff ist ab einem Alter von sechs Wochen ohne obere Altersgrenze zugelassen. Er kommt jedoch nach Stiko-Empfehlung bei der Grundimmunisierung von Säuglingen ab acht Wochen sowie bei immunsupprimierten Patienten im Rahmen der „sequenziellen Impfung“ zum Einsatz: Dafür wird zuerst Prevenar 13 und sechs bis zwölf Monate später Pneumovax 23 verabreicht. Letzterer soll jedoch erst ab einem Alter von zwei Jahren angewendet werden.

Zu dieser Gruppe gehörenbeispielsweise Patienten mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis, chronischer Niereninsuffizienz, Krebs oder einer HIV-Infektion, bei denen das Immunsystem durch die Grunderkrankung oder die zur Behandlung eingesetzten Medikamente geschwächt sein kann. Pfizer verweist auf die Möglichkeit, Prevenar 13 gemeinsam mit einem saisonalen Influenza-Impfstoff verabreichen zu können, um den Impfstatus der Patienten mit möglichst wenigen Patientenkontakten aufzufrischen.

Synflorix nur für Kinder

Ein weiterer Pneumokokken-Impfstoff ist Synflorix (GSK): Der adsorbiertePneu­mo­kok­ken-Po­ly­sac­cha­rid-Kon­ju­ga­timpf­stoff ist allerdings ausschließlich für die Verwendung bei Säuglingen und Kleinkindern zwischen einem Alter von sechs Wochen und dem vollendeten 5. Lebensjahr zugelassen. Die Stiko empfiehlt einen Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff; das kann in Deutschland neben Synflorix auch Prevenar 13 sein. Die Impfserie bestehend drei Impfungen soll wie die standardmäßig gegebene Sechsfach-Impfung um den ersten Geburtstag abgeschlossen sein. „Für einen zuverlässigen Langzeitschutz ist es besonders wichtig, zwischen der zweiten und dritten Impfstoffdosis einen Abstand von mindestens sechs Monate einzuhalten“, betonen die Impfexperten.

Die Sechsfach-Impfung schützt gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ B und Hepatitis B. Das neue Schema sieht für die Grundimmunisierung eine Dosis weniger vor als beim bisherigen 3+1-Schema. Der Impfschutz soll dabei allerdings vergleichbar sein.

Grund für die Anpassung auf ein 2+1 Schema sei die Erkenntnis, dass nur ein kleiner Anteil der Säuglinge zu den empfohlenen Zeitpunkten geimpft wird, so das RKI. Durch die Vereinfachung des Impfplans möchte das RKI die Anzahl von fristgerecht durchgeimpften Säuglingen erhöhen.

 

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