Adipositas: „Das ist kein harmloser Babyspeck“ Sandra Piontek, 30.03.2023 09:40 Uhr
Bloß ein bisschen niedlicher Babyspeck? Übergewicht bei Kindern sollte nicht verharmlost werden: Viele der kleinen Patient:innen sind massiv erkrankt und die Lebenserwartung ist verkürzt. Zudem fördert Fettleibigkeit in jungen Jahren unter anderem das Darmkrebsrisiko.
Die Folgen der Pandemie und damit die Bewegungseinschränkung im Lockdown sind immer noch zu spüren. Jedes sechste Kind in Deutschland ist seit Beginn der Corona-Pandemie dicker geworden, fast die Hälfte bewegt sich weniger als zuvor, etwa ein Viertel isst mehr Süßwaren – das zeigt eine repräsentative Eltern-Umfrage, die die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und das Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München vorgestellt haben. Was viele Eltern „bloß“ für ein „bisschen Babyspeck“ halten, kann für Kinder böse Folgen haben. Fakt ist: Immer mehr jüngere Menschen erkranken an Darmkrebs. Gleichzeitig nimmt das Körpergewicht von Kindern und Jugendlichen seit Jahren bedenklich zu – die WHO spricht von einer Epidemie der Fettleibigkeit in Europa. Übergewicht ist auch ein Risikofaktor für weitere Folgeerkrankungen:
- Diabetes mellitus
- kardiovaskuläre Erkrankungen wie Bluthochdruck und Herzinfarkt
- Erkrankungen des Bewegungsapparates insbesondere Sprung-, Knie- und Hüftgelenke und Rücken
- Fettstoffwechselstörungen
- Leberverfettung und -entzündung sowie Gallensteine
- Atemnot, bei Bewegung und auch im Liegen
- Störungen des Hormonhaushalts
Übergewichtige Kinder haben zudem eine eingeschränkte Lebensqualität, insbesondere die Psyche kann unter Hänseleien, Vorurteilen und der verminderten Leistungsfähigkeit im Sport leiden. Ausgrenzung und Unwohlsein können in einem Kreislauf aus Niedergeschlagenheit, Stress und dadurch gestörtem Essverhalten enden.
Risiko Fettleibigkeit
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) warnt schon seit Jahren vor den Folgen bei adipösen Kindern und Jugendlichen. Eine aktuelle Studie von Hermann Brenner, Epidemiologe vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), untersuchte, ob ein höheres Körpergewicht bei jüngeren Menschen auch mit ansteigenden Darmkrebserkrankungen einhergeht. In vielen europäischen Ländern sind in den vergangenen Jahren Übergewicht und Darmkrebserkrankungen gleichermaßen kontinuierlich angestiegen, das gab den Expert:innen Anlass einen Zusammenhang zu vermuten.
Früher Darmkrebs als Normalgewichtige
Um dies zu belegen, werteten die DKFZ-Forschenden Daten der Fall-Kontrollstudie „Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening (DACHS)“ aus. Darmkrebsbetroffene sowie zufällig ausgewählte Vergleichspersonen ohne Darmkrebs wurden nach ihren vergangenen und gegenwärtigen Gewohnheiten und ihrem Verhalten befragt. Zudem spielten auch weitere Faktoren wie deren Gewichtsentwicklung, Geschlecht und Alter eine Rolle.
Dabei zeigte sich, dass Proband:innen, die schon in jüngerem Alter fettleibig oder zumindest übergewichtig waren, auch eher eine Darmkrebserkrankung entwickelten als normalgewichtige Altersgenossen. 20-jährige fettleibige Personen hatten demnach ein 2,6-fach erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Aber auch Menschen mit nur leichtem Übergewicht (definiert als BMI zwischen 25 bis 30), das als Prä-Adipositas bezeichnet wird, entwickelten früher und häufiger Darmkrebs.
Prävention ist wichtig
Fazit: Die Hypothese, dass das ansteigende Körpergewicht in der jüngeren Generation mit dem häufigeren Auftreten früherer Darmkrebserkrankungen ursächlich zusammenhängt, wurde anhand der Forschungsergebnisse untermauert. „Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht und Adipositas gerade in jüngeren Generationen für die Darmkrebsprävention ebenso wichtig sind wie zur Vorbeugung anderer Volkskrankheiten", so Brenner.