ADHS: Meereskiefer gegen Hyperaktivität Sandra Piontek, 30.11.2022 12:27 Uhr
Das Aufmerksamkeitsdefizit sowie die Hyperaktivitätsstörung sind die häufigsten psychiatrischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Weltweit sind etwa 5 Prozent der Heranwachsenden betroffen. Eine aktuelle Studie zeigt eine komplett neue Therapieform auf.
Unter ADHS leiden Jungen drei bis sechsmal öfter als Mädchen. Bisher wurden vorrangig stark wirksame Medikamente wie Methylphenidat zur Therapie eingesetzt: Ein bekanntes Fertigarzneimittel, welches unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, ist das Ritalin.
Der Arzneistoff hat ausgeprägte Effekte auf zentrale als auch auf motorische Aktivitäten. Mit steigendem Wirkstoffspiegel setzt Methylphenidat Dopamin frei und hemmt dessen Wiederaufnahme. Dabei ist der Mechanismus, durch den die kognitiven Effekte und Verhaltensweisen ausgelöst werden, noch nicht eindeutig geklärt. Die zentral stimulierende Wirkung von Methylphenidat äußert sich unter anderem in einer Steigerung der Konzentrationsfähigkeit. Schulkinder nehmen deshalb unter der Woche die Medikamente ein und setzen am Wochenende aus, um einem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken. Müdigkeit und körperliche Abgeschlagenheit werden unter der Einnahme unterdrückt: Betroffene können so den Alltag besser und nachhaltiger meistern.
Im Zuge der Therapie kommt es jedoch häufig zu Nebenwirkungen:
Sehr häufige Nebenwirkungen:
- Appetitverlust
- Schlaflosigkeit, Nervosität
- Konzentrationsmangel und Geräuschempfindlichkeit (bei Erwachsenen mit Narkolepsie)
- Kopfschmerzen
- Übelkeit, Mundtrockenheit
- Schwitzen
Häufige Nebenwirkungen:
- Minderung des Längenwachstums bei längerer Anwendung bei Kindern
- Abnormes Verhalten
- Aggression
- Essstörungen
- Ängstlichkeit, Depression, Reizbarkeit, Ruhelosigkeit
- Schlafstörungen
- Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhö (zu Beginn der Behandlung)
- Husten, Rachen- und Kehlkopfschmerzen
- Fieber, innere Unruhe, Müdigkeit, Durst
Meereskiefer gegen Hyperaktivität
Eine gänzlich neue Option könnte nun ein pflanzlicher Inhaltsstoff der Kiefer bringen: Pycnogenol – ein Extrakt aus der Rinde der französischen Meereskiefer. Bisher wurde das pflanzliche Mittel als Antioxidans eingesetzt, um Alterungsprozesse zu entschleunigen. Eine neue Studie konnte jedoch kürzlich bestätigen, dass Pycnogenol eine nebenwirkungsarme Therapieoption für ADHS-Erkrankte sein kann. Das Team der Universität in Antwerpen baute dabei auf frühere Untersuchungen auf, in denen Pycnogenol als wichtiger natürlicher Pflanzenextrakt bereits zur Therapie von ADHS bei Kindern eingesetzt wird. Die Daten von 88 Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis zwölf Jahren wurden dabei in einem Zeitraum von zehn Wochen erhoben.
Die Teilnehmer:innen hatten die Studienautor:innen in drei Gruppen unterteilt:
- Placebo
- Methylphenidat 20-30 mg pro Tag je nach Gewicht
- Pycnogenol 20-40 mg pro Tag je nach Gewicht
Lehrer:innen und Eltern füllten zu Beginn der Studie sowie nach fünf und zehn Wochen Fragebögen aus: Beurteilt werden sollten folgende Punkte anhand einer ADHS-Bewertungsskala:
- Neun Unaufmerksamkeits- und Hyperaktivitäts- sowie Impulsivitätspunkte
- Schwierigkeiten Anweisungen zu befolgen
- Aktivitäten auszuüben
- Hyperaktivitäten, wie mit Händen und Füßen rumzappeln
- Andere unterbrechen oder stören
Die Ergebnisse überraschten mit einer signifikanten Abnahme der üblichen Symptome einer ADHS-Erkrankung unter Einnahme von Pycnogenol:
Lehrer:innen gaben an:
- 29 Prozent Abnahme auf der gesamten ADHS-Einstufungsskala
- 34 Prozent Abnahme der Hyperaktivität
- 25 Prozent weniger Unaufmerksamkeit
Eltern gaben an:
- 11 Prozent Abnahme auf der gesamten Skala
- 12 Prozent Abnahme der Hyperaktivität/ Impulsivität
- 10 Prozent weniger Unaufmerksamkeit
Zwar zeigten die Kinder und Jugendlichen aus der Methylphenidat-Gruppe insgesamt eine Verbesserung des ADHS-Verhaltens, aber hatten zugleich fünfmal mehr Nebenwirkungen als die Teilnehmer:innen der Pycnogenol-Gruppe. Besonders häufig wurden Appetitlosigkeit und unerwünschter Gewichtsverlust beobachtet.
Die Auswertung der Studie konnte zeigen, dass Pycnogenol die ADHS-Symptomatik deutlich lindern kann, bei wenig bis keinen Nebenwirkungen. Da der Wirkeintritt von pflanzlichen Wirkstoffen mitunter etwas länger dauert, müssten Eltern bereit sein, die Therapiezeit etwas zu verlängern. Dann könne Pycnogenol eine sichere Therapieoption sein.