ADHS: Medikamentengabe bei Erwachsenen alternativlos Katharina Brand, 20.12.2024 14:31 Uhr
Ein internationales Ärzteteam unter der Leitung von Dr. Edoardo Ostinelli von der Universität Oxford hat in der Fachzeitschrift Lancet Psychiatry eine umfassende Metaanalyse zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen veröffentlicht. Die Forschenden empfehlen nach einer Sichtung von über 100 Studien eine kombinierte Behandlung; ganz ohne Medikamente sei eine vollständige Symptomlinderung undenkbar.
Aktuell gibt es keine neuen Therapieempfehlungen für ADHS – egal ob für Kinder oder Erwachsene. Die letzte S3-Leitlinie wurde am 2. Mai 2017 veröffentlicht und war bis zum 1. Mai 2022 gültig. Da sie seit über fünf Jahren nicht aktualisiert wurde, ist sie nun in Überarbeitung.
Deshalb hat es sich das Team um Ostinelli zur Aufgabe gemacht, eine umfassende Metaanalyse durchzuführen, um die Wirksamkeit und Akzeptanz verschiedener ADHS-Behandlungen zu untersuchen. Den Fokus ihrer Forschung legte das internationale Team auf Erkrankte im Erwachsenenalter. Die Analyse umfasst 113 randomisierte kontrollierte Studien mit fast 15.000 Teilnehmenden. Ziel war es, sowohl pharmakologische als auch nicht-pharmakologische Interventionen hinsichtlich ihrer Effektivität und Akzeptanz zu vergleichen. Besonderes Augenmerk lag auf der Verringerung der Kernsymptome von ADHS und der Akzeptanz der jeweiligen Behandlungen durch die Patient:innen.
Unterschiedliche therapeutische Ansätze
Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen, dass Stimulanzien, wie zum Beispiel Methylphenidat, bei 60 bis 70 Prozent der Patient:innen zu einer signifikanten Symptomreduktion im Vergleich zu Placebo führen. Atomoxetin erzielte eine moderate Symptomreduktion bei 40 bis 50 Prozent der Patient:innen, jedoch mit einer höheren Abbruchrate von etwa 15 Prozent aufgrund von Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Herzrasen.
Bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Medikamenten wurden sowohl die Patient:innen als auch die behandelnden Ärzt:innen befragt. Beide Gruppen bewerteten die Wirksamkeit insgesamt als höchstens „moderat“. Konkret bedeutet dies bei Atomoxetin: Nach zwölf Wochen zeigte sich eine Verbesserung der Kernsymptome um 22 Prozent, nach einem halben Jahr waren es 32 Prozent. Ähnliche Werte wurden für Stimulanzien erzielt. Im Vergleich dazu konnte ein Placebo die Symptome je nach Zeitraum um 13 Prozent nach 12 Wochen beziehungsweise 20 Prozent nach einem halben Jahr verringern. Der Unterschied zwischen Placebo und Atomoxetin oder Stimulanzien ist zwar relativ gering, jedoch statistisch eindeutig als auf die Arzneimittel zurückzuführen.
Die Analyse hat auch die Wirksamkeit von alternativen Methoden wie der transkraniellen Hirnstimulation untersucht, die in der Metaanalyse nur minimale Effekte zeigte. Diese Methode führte zu einer durchschnittlichen Symptomreduktion von 10 bis 15 Prozent, die jedoch von den Patient:innen nicht als signifikant wahrgenommen wurde. Die klinischen Bewertungen und subjektiven Rückmeldungen der Patient:innen stimmten weitgehend überein, dass diese Therapie keine signifikante Veränderung im Vergleich zu anderen Standardbehandlungen bewirkte.
Stimulanzien zielführend
Deshalb gehen die Forschenden davon aus, dass Stimulanzien die effektivsten Behandlungen zur Symptomlinderung bei ADHS darstellen, auch wenn die Akzeptanz aufgrund von Nebenwirkungen eingeschränkt sein kann. Nicht-pharmakologische Ansätze wie kognitive Verhaltenstherapie und Achtsamkeitstraining bieten einen zusätzlichen Nutzen, insbesondere bei der Behandlung von Begleiterscheinungen wie emotionalen und sozialen Problemen. Langfristige Studien zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Behandlungen fehlen jedoch noch. Diese neuen Ergebnisse könnten jedoch dazu beitragen, zukünftige Behandlungsrichtlinien zu gestalten und das Verständnis der langfristigen Wirksamkeit von ADHS-Therapien zu erweitern.